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"Jetzt machen wir Zirkus!"

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Ein Mädchen balanciert auf einem großen Ball. Sie wird von einem Erwachenen festgehalten.

Unter dem Sternenhimmel spielt sich immer donnerstags ein besonderes Programm ab: Dann nämlich spielen Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam mit Kegeln und Bällen, dann trainieren sie gemeinsam das Purzelbaumschlagen und Einradfahren. "Zirkusspiel integrativ" heißen diese Stunden im Wochenprogramm des Frankfurter Kinderzirkus Zarakali.

Mädchen in bunten Strumpfhosen und Jungen in Joggingklamotten rennen zu launiger Salsa-Musik durch die Arena - Fangen spielen, aufwärmen -, bis der Ruf ertönt: "Jetzt machen wir Zirkus!" Sofort rollen die Kinder die meterlangen, dicken Matten aus, auf denen es garantiert nicht weh tut, wenn man beim Balancieren von der großen Kugel fällt oder wenn der Handstand misslingt.

Keine Sonderbehandlung

Zwischen 6 und 14 Jahren sind die Kinder alt, einige von ihnen haben das Down-Syndrom, Lernschwierigkeiten oder psychische Beeinträchtigungen. Manchmal wissen die Theaterpädagogen das gar nicht so genau, und für die Kinder spielt es erst recht keine Rolle. Dass Tobi nicht redet, macht keinen Unterschied - er teilt durch Mimik und Körpersprache deutlich genug mit, was er will. Und wenn Luca im Weg steht, aber partout nicht beiseite gehen will, schieben ihn die anderen eben zur Seite. Keine Sonderbehandlung!

Den eigenen Körper erfahren und Selbstbewusstsein gewinnen

"Es geht uns um das selbstverständliche Miteinander", sagt Simon Hilbich, der die integrativen Gruppen gemeinsam mit Mirjam Scherer leitet. Aber dabei sein ist längst nicht alles: Es geht den beiden ausgebildeten Sozialarbeitern mit theaterpädagogischer Erfahrung zudem darum, dass die Kinder durch kleine und große Zirkuskunststücke ihren Körper erfahren, sich etwas trauen und Selbstbewusstsein gewinnen. Wobei "unser Ansatz nicht ist, an den Schwächen zu arbeiten, sondern die Stärken zu erkennen", sagt Hilbich.
Mit anderen Worten: Wenn ein Kind Probleme mit der Balance hat, weichen die Theaterpädagogen eben auf das aus, was möglich ist. Noch übt Leo, den Ball zu erhaschen, den Hilbich ihm immer wieder zuwirft. Doch irgendwann wird er es vielleicht schaffen, die Zirkusringe zu fangen - und das zu Recht als großen Erfolg feiern.

Jeder, der mag, macht mit!

In der großen Sommershow des Zirkus macht dann jeder mit, der will - also nicht nur die Kinder aus den regulären Trainingsgruppen, sondern jeder, der mag. Denn für jedes Kind lässt sich eine passende Zirkusnummer einbauen, das ist die Erfahrung von Simon Hilbich, der auch lange im durch und durch integrativen Projekt ZirkuTopia in Kassel gearbeitet hat. Er erinnert sich an eine Vorstellung, in der die Kinder sich zu einem Menschenturm aufgebaut hatten, an der Spitze die Kinder mit Behinderung: "Da war das gesellschaftliche Bild von Menschen mit Behinderung für mich auf den Kopf gestellt."

Wenn der Vorhang fällt

Gruppenakrobatik, leichte Jonglagen, Zweier-Schaukel auf dem Trapez: So funktioniert "integratives Zirkusspiel". Selbst wenn sich die Kinder manches geduldig erarbeiten müssen - zwischen weinrotem Samtvorhang und Zuschauerbänken, unter dem blauen Zeltdach und mit den vielen bunten Utensilien macht das vielen mehr Spaß als in einer nüchternen Turnhalle. Nach dem letzten Handstand auf der Matte macht jedes Kind eine Verbeugung, ganz wie es sich gehört in einem Zirkus. Und dann ist die Vorstellung zu Ende - für diesen Donnerstag.


Linktipps:
Infos zum Frankfurter Kinderzirkus Zarakali
Mehr über das Projekt ZirkuTopia in Kassel
Das Handlungsfeld "Inklusion leben: In der Freizeit" der Aktion Mensch
Mehr zum Thema Jugendliche mit Behinderung beim Familienratgeber
"Nix Besonderes". Ein Blogbeitrag von Stefanie Wulff über Inklusion bei den Pfadfindern
Skateboarden inklusiv! Ein Blogbeitrag von Eva Keller über einen inklusiven Skateboard-Workshop in Frankfurt

Junge mit Down-Syndorm jongliert. Zwei kleine Mädchen stehen an einem Kasten mit Zirkus-Utensilien. Zwei Mädchen balancieren auf großen Bällen. Bunte Ringe und Bälle. Ein Erwachsener zeigt den Kindern Dehnübungen: Alle stehen im Kreis und ziehen ihre Füße an den Po. 

(Autor: Eva Keller)


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