"Heiße Reifen Dortmund" - so heißt die Mannschaft der Reha- und Behindertensport-Gemeinschaft Dortmund 51 e.V., die zum Riesenball-Turnier in die Sporthalle der Martin-Luther-King-Gesamtschule in Dortmund eingeladen hatte. Nico Feißt war dabei und schildert seine Eindrücke.
"Sören, jetzt mach mal langsam, lass den anderen eine Chance", ruft seine Trainerin. Doch Sören hört nicht. Blitzschnell schießt er über das Feld und erzielt den nächsten Punkt für das RBG-Team. Kaum einer ist so flink mit dem Rollstuhl wie er. "Eigentlich wollte ich schon aufhören mit Riesenball und mich nur auf Rollstuhlbasketball konzentrieren, aber meine Mutter hat gesagt, ich soll dabei bleiben, und da hat sie ja auch Recht", erzählt der Zehnjährige.
Beim Riesenball sind die Regeln einfach: Zwei Teams mit je fünf Spielern plus Torwart spielen im Rollstuhl gegeneinander. Ziel ist es, den großen Gymnastikball, auch Pezziball genannt, an die Wand des gegnerischen Teams zu befördern. Dabei darf der Ball immer nur mit einer Hand geführt werden, nicht mit beiden - und auch nicht mit den Füßen.
Sören spielt gegen seine Trainerin, seine Eltern oder seine Geschwister - alle dürfen mitspielen. Die Eltern der Kinder haben als "Lucky Loser" ein Team gebildet. Gegen sie muss das RBG-Team lange zittern. Am Ende gewinnen die Kinder aber 5:4. "Da sieht man, dass die Kleinen auch mal besser sein können als die Großen", sagt Sören und grinst.
Gefahrenfreie Torhüterzone
"Ich hab ihn", schreit der ebenfalls zehnjährige Maxi und ballt seine Faust. Die linke Hand liegt auf dem türkisfarbenen Gymnastikball. Sein Trikot verrät es: Maxi ist der Torhüter. Wenn er den Ball berührt, darf ihn keiner angreifen. "Im Tor muss man richtig schnell fahren, um den Ball zu bekommen", sagt er und fährt in seinem knallbunten Rollstuhl davon.
Die Zone vor der Wand ist die Torhüterzone, dort darf sich nur Maxi aufhalten. Das ist wichtig für ihn, denn dadurch besteht keine Gefahr, dass ein anderer Spieler mit ihm zusammenstößt. Auf dem Feld krachen die Spieler in vollem Tempo oft zusammen. Für Maxi aber wäre das zu gefährlich - er hat sogenannte "Glasknochen". Im Tor hingegen kann er mitspielen, und man sieht ihm an, dass er sich mit seiner Verantwortung als Torhüter wohlfühlt.
Riesenball im Schulsport?
"Riesenball ermöglicht Kindern mit einer stärkeren Beeinträchtigung, eine Sportart zu finden, in der sie mit ihren Fähigkeiten auch als Mannschaftssportler aktiv sein können", sagt Petra Opitz, Organisatorin des Turniers und Geschäftsführerin der Reha- und Behindertensport-Gemeinschaft Dortmund. In NRW ist Inklusion ab dem kommenden Schuljahr Gesetz. Im Schulsport allerdings lässt die Inklusion noch auf sich warten. "Da sitzen die Kinder mit Behinderung dann am Rand, obwohl sie integrativ beschult werden, weil die Lehrer nicht wissen, was sie machen sollen", sagt Petra Opitz. Als Konsequenz befreien die Eltern ihre Kinder vom Sportunterricht. Opitz ärgert sich dann: "So signalisiert man immer: Mein Kind kann halt nicht. Jeder kennt die Paralympics, aber nur wenige denken so weit, dass es Sportangebote für Menschen mit Behinderung auch in Dortmund geben könnte."
Inklusion pur
Gesenkte Köpfe sah man nur am Anfang des Turniers kurz. Schuld daran war Sörens Team. 13:0 gewannen sie gegen die "Schiller-Gang". Bis auf Thilo, der auch im RBG-Team spielt, saßen von der "Schiller-Gang" alle zum ersten Mal im Rollstuhl. "Eins unserer Kinder hat seine Klassenkameraden gefragt, ob sie nicht eine Mannschaft bilden wollen. Ich finde das total genial, das ist Inklusion pur", freut sich Organisatorin Petra Opitz.
Im nächsten Jahr soll es wieder ein Riesenballturnier geben. Petra Opitz will die Sportart weiter bekannt machen: "Noch ist Riesenball nicht paralympisch, aber wer weiß, vielleicht schaffen wir das ja auch noch."
Linktipps:
Das Handlungsfeld "Inklusion leben: In der Freizeit" der Aktion Mensch
Selbstbewusstsein durch Sport. Ein Blogbeitrag von Michael Herold über seine ganz eigenen Erfahrungen mit dem Thema Sport
Klischees wett kämpfen. Ein Blogbeitrag von Raúl Krauthausen über das gesteigerte mediale Interesse an den Paralympics und Klischees in der Berichterstattung
(Autor: Nico Feißt)