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"Politik geht uns alle etwas an" - ein inklusiver Film in Leichter Sprache

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Viele gezeichnete Menschen mit und ohne Behinderung auf den Umrissen einer Deutschland-Karte, darüber eine Sprechblase: "Politik geht uns alle etwas an!"

Wählen ist ein Bürgerrecht für alle und schließt auch Menschen mit Lernschwierigkeiten und geistiger Behinderung ein. Es gibt aber viel zu wenig Informationsmaterial für sie. Das ändert sich jetzt: Der Film "Politik geht uns alle etwas an" informiert in Leichter Sprache über politisches Grundwissen und die Bundestagswahl 2013.

Maja und Paul bekommen Post: die Wahlbenachrichtigung. Paul öffnet ihn und zeigt ihn Maja. "Ach, eigentlich weiß ich gar nicht viel über Politik", stellt Maja fest. Für alle, denen es auch so geht, wird in der ersten Folge langsam und in Leichter Sprache erklärt, was Demokratie genau ist. Dazu sind Filmszenen und Animationen zu sehen. In weiteren vier Folgen, die alle auch in Gebärdenspracheübersetzt sind, werden die deutschen Parteien erklärt, wie man den Wahlzettel ausfüllt, was nach der Wahl passiert und wie man außerhalb von Parteien Politik machen kann. Maja geht nicht nur wählen, sondern sagt am Ende: "Ich werde auf jeden Fall weiter Politik machen."

Aus der Not geboren

Die Idee zu dem Film hatte Anja Hahlweg, die bei der Lebenshilfe Berlin als Betreuerin arbeitet. 2011 suchte sie einen Info-Film, um mit ihren Klienten die Abgeordnetenwahl in Berlin zu besprechen. Mit den Informationen wollte sie bei ihnen das Interesse an Politik wecken. Denn: Nur, wer informiert ist, geht auch wählen. "Da viele meiner Klienten nicht lesen können, habe ich Filme gesucht, aber nichts gefunden", sagt sie. "Und die Nachrichten im Fernsehen sind viel zu schwierig zu verstehen." Also blieb nur eines: Selbst einen Film machen.

Alle zusammen

Der Film war für sie von Anfang an als inklusives Projekt gedacht. Menschen mit Beeinträchtigungen sollten am ganzen Prozess mitwirken. Also wurden mit Aushängen in den Einrichtungen der Lebenshilfe Interessierte gesucht und eine Projektgruppe gebildet. "Sie besteht aus Menschen mit hohem Wissensstand und nicht allzu schwerer geistiger Beeinträchtigung", sagt Hahlweg. Sie taten alles gemeinsam, haben das Konzept entwickelt und verfeinert, recherchiert, Drehbuch und Storyboard erarbeitetet, sogar die Farben und Schnelligkeit der Animation haben sie gemeinsam besprochen. "Jeder einzelne Satz ist durch die Projektgruppe gegangen", sagt Hahlweg.

Professionell, inklusiv und von der Zielgruppe getestet

Der Film sollte nicht nur inklusiv, sondern auch professionell sein. Also wurde eine Produktionsfirma bezahlt und mit professionellen Schauspielern des inklusiven Theaters Thikwa zusammengearbeitet.
Projektleiterin Anja Halweg war es wichtig, dass der Film auch Menschen mit mittlerer geistiger Beeinträchtigung erreicht. "Sie fallen bei Texten in Leichter Sprache immer hinten runter", sagt sie. "Für sie müssen die Texte gesprochen sein." Aber: Sind die Informationen für sie auch nachvollziehbar? Um das herauszufinden, haben sie einem Testpublikum Probematerial vorgeführt und anschließend mit ihnen darüber diskutiert. "Die Rückmeldungen waren sehr hilfreich", sagt Hahlweg und erzählt, dass danach fast alles noch mal überarbeitet wurde: leisere Musik, noch langsamere Erklärungen. Dafür ist der Film jetzt hundertprozentig von und für die Zielgruppe.

Schon ausgezeichnet

Jeder kann den Film auf YouTube sehen. Jetzt sei es wichtig, ihn zu verbreiten, so Hahlweg. Dass das inklusive Filmprojekt im Mai beim bap-Preis Politische Bildung 2013 mit dem dritten Platz ausgezeichnet wurde, hat schon dazu beigetragen. Darauf sind Hahlweg und ihre Kollegen stolz. "Vor allem ist es aber ein Erfolg für das Thema", sagt sie.


Linktipps:
Der inklusive Film "Politik geht uns alle etwas an" der Lebenshilfe Berlin
"Wir gehen online". Ein Interview im Blog von Katja Hanke über Seminare, in denen Menschen mit Lernschwierigkeiten lernen, wie sie das Internet nutzen können
Wahlrecht inklusive. Ein Blogbeitrag von Iris Cornelssen über die Forderung nach einer Änderung der Wahlgesetze im Sinne der UN-BRK zugunsten von Menschen mit Behinderungen
Mehr Leichte Sprache! Ein Blogbeitrag von Stefanie Wulff über die Ausbildung von Prüfern für Texte in Leichter Sprache - mit einer Übersetzung in Leichter Sprache

(Autor: Katja Hanke)


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