Mit Konfetti und Glitzer feierten rund 1.000 Menschen die erste Disability and Mad Pride Parade in Berlin.
Berlin-Kreuzberg ist am Samstag reicher geworden. Menschen mit Migrationshintergrund, Künstler, Studenten, Neu-Berliner und Ureingesessene machen den Bezirk ohnehin schon vielfältig, am Wochenende kam nun noch mehr Vielfalt hinzu: Männer und Frauen mit den verschiedensten Behinderungen oder Psychiatrieerfahrungen. Sie kamen zur deutschlandweit ersten "behindert und verrückt feiern Pride Parade" nach Berlin.
Mit Konfetti und Glitzer gegen Barrieren
Die Hände voll Konfetti, die Wangen voll Glitzer und die Nase voll von Diskriminierung: So gingen, rollten, tanzten, hüpften, schlurften und demonstrierten sie unter dem Motto "Tanzt Barrieren weg! Hüpft aus den Schubladen! Scheißt auf Diagnosen!" durch Kreuzberg, um - wen sonst? - sich selbst zu feiern. "Bei vielen Demos von Menschen mit Behinderung liegt der Fokus auf der Forderung von staatlichen Maßnahmen", erklärte die 28-jährige Antje Barten, eine der Initiatorinnen der Pride Parade. "Aber wir wollen mit dieser Veranstaltung ein positives Auf-uns-bezogen-Sein feiern. Wir wollen das feiern, was wir schon erreicht haben".
Gut gelaunte Mischung
Rund 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen zu der Veranstaltung zusammen, um sich mit selbst geschriebenen Plakaten wie "Behindert geht auch ohne Rollstuhl", "Mensch bleibt Mensch, da hilft keine Diagnose" oder "Spasmus sein" den öffentlichen Raum zurückzuholen, den medizinische Diagnosen und gesellschaftliche Vorurteile sonst vor ihnen verschließen. Mit dabei waren Kinder, Studentinnen und Studenten, Alte, queere Aktivist_innen, Hut- und Wut-Träger, Menschen, die schlecht zu Fuß waren, aber dafür gut gelaunt, und solche, die eine klare Meinung hatten, warum ihnen die Pride Parade so wichtig war.
Teil der Gesellschaft
"Es ist gut, dass wir auch mal außerhalb des Kontextes von Pflege und Betreuung auf die Straße gehen", sagte Raúl Krauthausen, Aktivist vieler sozialer Projekte, "damit man uns als Teil der Gesellschaft wahrnimmt und nicht nur als Teil eines Sozialsystems, das Geld kostet." Die Frankfurter Juristin Silke Schönfleisch-Backofen in Rollstuhl und Kleid mit schwarzer Spitze und elegant weitem Ausschnitt fand es "total wichtig, dass behinderte Frauen auf die Straße gehen, um zu zeigen, dass auch behinderte Menschen eine Sexualität haben". Der Student Dennis bemängelte die Arbeit der Ämter und Behörden: "Die Gesetze sind eigentlich schon recht weit, aber wenn man das dann umsetzen will, dann kostet das immer so wahnsinnig viel mehr Aufwand!". Und die 25-jährige Anne war dabei, weil sie schlicht Vielfalt liebt: "Mir geht es darum, dass ich jegliche Art von Normativität ablehne. Ich will nicht, dass manche Menschen abgelehnt werden, weil sie in eine Schublade gesteckt werden, die ich nicht befürworte."
Der Parade-Zug schlängelte sich vom Hermannplatz bis ins Herz von Kreuzberg, dem Kottbusser Tor. Auf ihrem Weg hinterließen die Demonstrantinnen und Demonstranten eine breite Konfetti-Spur. Vor der Parade waren die Kreuzberger Straßen noch eintönig grau. Danach waren sie bunt.
Linktipps:
Die "Disability and Mad Pride Parade 2013" in Berlin
Infos zur "behindert und verrückt feiern Pride Parade 2013" in Leichter Sprache
"Wir werden weiter kämpfen!" Ein Blogbeitrag von Ulrich Steilen über die Aktion Gebärdensprache am 14. Juni 2013 in Berlin
Botschaften und Partystimmung. Ein Bericht im Blog von Stefanie Wulff über den Aktionstag zum 5. Mai in Oberhausen
Mehr Selbstbestimmung, mehr Rechte. Ein Blogbeitrag von Wiebke Schönherr über die Demonstration am 4. Mai 2013 in Berlin für mehr Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderung
(Autor: Wiebke Schönherr)