Das Wort Inklusion wird in vielen Kontexten mit der gleichberechtigten Teilhabe behinderter Menschen gleichgesetzt. Der eigentliche Gedanke schließt aber andere Minderheiten genauso ein und zielt auf eine Gesellschaft ab, in der alle Mitbürger frei und gleichberechtigt leben können.
Behinderung und Sexualverhalten stehen sich in nichts nach
Bis Ende der 70er Jahre wurde behinderten Menschen jegliches sexuelles Verhalten abgesprochen. Das Leben in abgeschotteten Pflegeeinrichtungen verstärkte diesen Faktor und führte dazu, selbst kleinste aufkommende erotische Empfindungen der Bewohnerinnen und Bewohner im Keim zu ersticken. Was dabei nicht bedacht wurde: Sexualität gehört fest zum Leben dazu und ist ein menschliches Grundbedürfnis. Zusätzlich zur Separation fern ab von der Gesellschaft wurde diesen Menschen somit auch ein Stück Freude am Miteinander genommen. Wenn dann später Paarbeziehungen Akzeptanz fanden, ging man automatisch von einer Mann-Frau-Konstellation aus.
Doppelte Herausforderung
Wenn es heute um das Thema Homosexualität geht, stehen meistens schwule Männer im Fokus. Lesben tauchen in der Öffentlichkeit nur als Randgruppe oder bisweilen gar nicht auf. Höchstens im pornografischen Bereich haben sie eine starke Präsenz, die leider stark von Klischees behaftet ist und vorwiegend für das männliche Publikum produziert wird. Das führt nachhaltig zwar zu einer höheren gesellschaftlichen Anerkennung, aber nicht in dem gewollten Sinne. Schwul sein hingegen wird oftmals auf das Ausleben von sexuellen Handlungen reduziert oder in Zusammenhang mit fehlender Männlichkeit gebracht.
Wie steht es nun um Menschen, die gleichzeitig eine Behinderung haben und gleichgeschlechtlich lieben? Darin besteht sicherlich eine doppelte Herausforderung. Schon als behinderter Mensch muss man um Gleichberechtigung und Dinge wie Barrierefreiheit kämpfen. Wer seine Homosexualität entdeckt, macht sich zusätzlich auf die Suche nach seiner Identität und stellt sich großen Momenten wie dem ersten Outing.
Der kleine Zusatz äußert sich vielleicht darin, dass man eine Behinderung in vielen Fällen nicht verstecken kann. Muss man auch gar nicht. Genauso, wie man seine Liebe zu einem gleichgeschlechtlichen Partner nicht geheim halten sollte. Warum auch? Liebe ist kein Verbrechen, sondern die schönste Sache der Welt! Ich selbst habe bisher die Erfahrung gemacht, dass Mitmenschen einem dann am offensten begegnen, wenn man es ihnen gleich tut.
Ein Mensch ist mehr als nur behindert oder homosexuell
Beim Umgang mit anderen Minderheiten ist es jedoch wichtig, keine falsche Toleranz zu zollen. Ob man einen Menschen mag, sollte nicht von der sexuellen Ausrichtung, der Kognition oder Hautfarbe abhängen. Deshalb halte ich weder Jubelwellen beim Outing von schwulen Fußballern für angebracht noch eine überzogene Heroisierung eines einzelnen behinderten Durchstarters.
Was wir brauchen, ist eine Kultur der Akzeptanz: JEDER muss die gleichen Rechte und Pflichten haben. Das beinhaltet auch das gleichberechtigte Urteilen über einen Menschen. Erst dann erkennt man ihn mit all seinen positiven und negativen Seiten als gleichwertigen Menschen an und reduziert ihn nicht nur auf das Attribut behindert oder homosexuell. Wirkliche Akzeptanz und echte Inklusion ist erst dann erreicht, wenn der Mensch im Fokus steht. Getreu dem Motto: „Anders sein ist auch normal!“
Linktipps:
Mehr zum Thema Sexualität und Behinderung beim Familienratgeber
(Nina Treusch)