Quantcast
Channel: Aktion Mensch-Blog
Viewing all 790 articles
Browse latest View live

Angler-Latein in Gebärdensprache

$
0
0

Drei Personen sitzen auf einem Steg und angeln.

Angeln in öffentlichen Gewässern darf man nur mit einer Erlaubnis. Wer den nötigen Fischereischein nicht besitzt – so wie viele Gehörlose – ist faktisch vom Fischefangen ausgeschlossen. Engagierte Angler in Nordfriesland wollen das ändern. Im September startet der nächste Lehrgang für Gehörlose in Gebärdensprache.

Die Initiative ging von einem gehörlosen Auszubildenden im Husumer Theodor-Schäfer-Berufsbildungswerk aus. Er wollte selbstständig angeln gehen und brauchte dafür den Fischereischein. Mit dem Pastor des Berufsbildungswerks hatte er schnell einen Verbündeten für sein Vorhaben gefunden. Der Pastor sprach Jürgen Töllner an, der ebenfalls im Werk arbeitete und Vorsitzender des Kreisanglerverband Nordfriesland e.V. ist. Auf dem kurzen Dienstweg organisierte Töllner die nötigen Gebärdensprachdolmetscher und sorgte dafür, dass die Kosten für die Dolmetscher aus dem Topf der Fischereiabgabe des Landes bezahlt wurden. Jürgen Töllner sieht sein Engagement norddeutsch-pragmatisch: „Gehörlose Angler konnten sonst nur in Begleitung eines Fischereischein-Inhabers angeln gehen. Das war für viele kein Dauerzustand. Und wir als Verband konnten helfen.“  

Wie heißt Brasse in Gebärdensprache?

Der erste Kurs lief 2011 mit einem knappen Dutzend Teilnehmern in Husum. Eine Dolmetscherin hatten sich zuvor in die Fachbegriffe eingearbeitet. In acht Unterrichtsblöcken ging es um Gewässerkunde, den richtigen Umgang mit dem Gerät, um rechtliche Aspekte und vieles mehr. Am Ende standen die Prüfung und die feierliche Übergabe des bestandenen Scheins.

Am 10. September 2015 beginnt der nächste Durchgang. John Hoxhaj hat sich bereits angemeldet. Der 20-Jährige ist Auszubildender im Bereich Technisches Produktdesign im Theodor-Schäfer-Berufsbildungswerk. Schon als Kind hat er sein Faible fürs Angeln entdeckt und war oft mit seinem Großvater unterwegs. Er erzählt: „Für mich ist alles am Angeln interessant, weil man sehr viel dabei lernen kann. Es wird nie langweilig.“ Warum er sich für den Kurs angemeldet hat? „Ich will nicht nur an Privatgewässern angeln dürfen, sondern überall. Das ist doch viel besser.“

Der Verband, der inklusiv denkt

Der Kreisanglerverband macht sich auch an anderer Stelle dafür stark, dass niemand vom Angeln ausgeschlossen ist. Jürgen Töllner berichtet: „Bislang haben wir sechs Rollstuhlplätze für Angler angelegt. Man kann mit dem Auto direkt ranfahren und seine Angel von einem befestigten Steg auswerfen.“ Für Vereine und Engagierte, die Rollstuhlplätze einrichten wollen, hat der Kreisanglerverband alle Infos – von baulichen Voraussetzungen bis hin zum Genehmigungsverfahren – auf einer CD zusammengestellt.

Für John Hoxhaj soll der Lehrgang erst der Anfang sein. Für ihn ist klar, dass er künftig mit anderen zusammen angeln möchte. Am besten in einem Verein. Sein Wunsch an die künftigen Vereinskameraden: „Es wäre schön, wenn sie sich ein wenig die Gebärdensprache aneignen könnten. Dann würden vielleicht auch mehr gehörlose Menschen in den Verein kommen. Dass wir ein wenig gleichgestellter wären, das wäre schön!“

Der Fischereischein-Lehrgang für Gehörlose findet vom 10.9.2015 bis zum 22.10.2015 in Husum statt. Die Anmeldung ist über die Internetseite des Kreisanglerverbands möglich. Das Prüfungszeugnis wird von anderen Bundesländern anerkannt.

Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch nach seinen individuellen Möglichkeiten selbstbestimmt leben und am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann. Dieses selbstverständliche Miteinander erreichen wir nur, wenn sich möglichst viele Menschen für eine inklusive Gesellschaft einsetzen und sie mitgestalten – zum Beispiel durch freiwilliges Engagement. Die Aktion Mensch bietet mit ihrer Freiwilligen-Datenbank einen Überblick über die zahlreichen Möglichkeiten: Menschen mit und ohne Behinderung können aus mehr als 13.000 Angeboten  das passende Engagement auswählen.


Weitere Ideen für inklusives Engagement finden Sie in der Freiwilligen-Datenbank.

(Henrik Flor)


Neues von der Handy-Tankstelle

$
0
0

Raul Krauthausen mit Rollstuhl und seiner Handy-Ladestation

„Braucht noch jemand ein bisschen Strom für sein Handy?“ So fragt Blogger Raul Krauthausen bei Konferenzen über Twitter. Mit diesem Angebot kommt er schnell ins Gespräch und hat tolle Begegnungen.

Ich mag dieses Internet, und wenn es nicht schon da wäre, sollte man es erfinden. Denn immer wieder passieren unerwartete Ereignisse.

Vor ein paar Monaten hatte ich eine WhatsApp-Nachricht von einem Freund bekommen, der meinte, mein Tweet am ersten Tag der Netzkonferenz re:publica war der meist geteilte Tweet. Dabei ging es nur darum, dass ich gerne auf Veranstaltungen meinen USB-Stromanschluss an meinem elektrischen Rollstuhl für ladehungrige Handys zur Verfügung stelle:

Offer: If someone needs to charge his Smartphone, you can plug it in to my electric wheelchair for free! #rp15 @republica

Ich war ziemlich überrascht, dass das Angebot auf solch ein Interesse gestoßen ist. Ursprünglich wollte ich einfach nur mit Menschen in Kontakt kommen. Denn es ist ein Unterschied, ob Menschen zu mir kommen, um einen besonderen Service von meinen Rollstuhl zu nutzen, oder zu einer Diskussion nach einem Vortrag zum Thema Inklusion. Ich freue mich sehr über die Gespräche nach einem Vortrag, weil sie sich oft auf die Themen beziehen, zu denen ich gesprochen habe. Es ist aber auch sehr spannend, mit Menschen über irgendetwas zu reden, das abseits der Vortragsthemen liegt.

Ein bisschen anders wahrgenommen

Die Gespräche fangen meistens damit an, warum ich überhaupt ein Handyüber meinen Rollstuhl aufladen kann und was das Ding noch so alles für Features hat. Ich finde es sehr interessant, dass mein Rollstuhl und ich auf einmal ein bisschen anders wahrgenommen werden: Ich bin dann nicht der Mensch im Rollstuhl, der irgendwie behindert ist. Ich bin denn der Mensch mit einer coolenHandy-Aufladestation. Das erzeugt sogar Neid.

Ich nenne diese Gespräche dann gerne „Neues von der Handy-Tankstelle“, weil wir uns meistens über andere Themen unterhalten, die nicht sofort was mit meiner Behinderung zu tun haben. Es kann natürlich auch damit zusammenhängen, dass auf einer Netzkonferenz die Themen sowieso andere sind, und doch freue ich mich sehr darüber. Damit möchte ich thematisch nicht werten, sondern dazu motivieren, mit mir auch über andere Themen zu sprechen als über Inklusion, Barrierefreiheit und die UN-Behindertenrechtskonvention.

Zum Beispiel habe ich einen 3D-Drucker zu Hause und frage mich die ganze Zeit, was passieren würde, wenn man damit einen weiteren 3D-Drucker herstellen würde?

Der Mensch hinter einer Behinderung

Zu Hause spiele ich gerne Playstation oder gucke Serien bei Netflix, und sehr oft frage ich mich, wo eigentlich dieses „Betriebsfahrt“ liegt, zu dem so viele Busse fahren. Also es gibt noch das eine oder andere Thema, über das man mit mir reden kann, und es muss nicht immer die Behinderung sein. Vielleicht helfen diese Gespräche auch dabei, dass der Mensch hinter einer Behinderung gesehen wird.

Dazu interessiert mich das Leben von dem Gegenüber noch viel mehr als der „Betriebsfahrt“-Standort, und so frage ich sehr gerne, was den oder die andere so umtreibt, beschäftigt und interessiert. Es ist unglaublich spannend, welche Menschen man an der Handy-Tankstelle kennenlernt. Zum Beispiel Lokführerinnen, Zukunftsforscher oder Sportlerinnen, die mir endlich mal erklären können, warum man sich jeden Tag so quälen kann.

Diese Gespräche sind eine wunderbare Abwechslung für mich, und wenn sie auch manchmal nur 20 Minuten dauern, möchte ich sie nicht missen und hoffe, dass Menschen mit und ohne Behinderungen viele solcher Begegnungen haben. Manchmal reicht schon ein Tweet auf einer Veranstaltung.

Was für interessante Begegnungen hattest du schon?

 

Linktipps:

Behinderung ausgeblendet. Mirien Carvalho Rodrigues über Begegnungen in ihrem Job, bei denen ihre Blindheit kein Thema ist

Zu früh. Heiko Kunert über eine unverhoffte Begegnung mit einem Mann, der wirklich alles über Blinde weiß – oder das zumindest denkt

Eine Begegnung mit Hindernissen. Anastasia Umrik über eine peinliche Begegnung und was sie daraus mitgenommen hat

Eine Collage mit mehreren Bildern von einem Handy mit Ladekabel und einem USB-Stromanschluss an einem E-Rolli

(Raúl Krauthausen)

„Gnadenlos ehrlich“

$
0
0

Eine Frau im Rollstuhl, daneben steht ein Mann, beide lachen herzlich

An einem lauen Freitagabend im Juli treffe ich Claudia Dässel und Sebastian Fuchs, um mir von ihnen die Geschichte ihrer Freundschaft erzählen zu lassen. Wir sitzen auf der Terrasse von Claudias Stamm-Griechen in Krefeld. „Magst du Schafskäse“, fragt Sebastian in Richtung Claudia beim Durchstöbern der Speisekarte. „Auf einer Skala von eins bis sechs so etwa bei drei plus“, antwortet Claudia grinsend. Sebastian verdreht die Augen und lacht: „Du bist äußerst kompliziert.“

Claudia und Sebastian sind Freunde. Claudia ist 35 Jahre alt und arbeitet in der Selbsthilfe-Kontaktstelle des Paritätischen Wohlfahrtverbandes in Krefeld. Seit einem Verkehrsunfall sitzt sie im Rollstuhl. Sebastian ist 30 Jahre alt, lebt und arbeitet in Stuttgart. Sein Arbeitgeber ist der dortige Körperbehinderten-Verein. Sebastian hat eine Spastik mit motorischer Einschränkung und eine Sehbehinderung. Zwischen Krefeld und Stuttgart liegen 400 Kilometer. Die beiden haben es geschafft, eine Freundschaft aufzubauen und sie zu intensivieren, trotz der großen Distanz, die zwischen ihnen liegt. Gegenseitige Besuche und stundenlange Telefonate inklusive.

Klassentreffen des Familienratgebers

Kennengelernt haben sich „Claudi“ und „Basti“ – so nennen sie sich gegenseitig – 2012 in Bremen. Dort trafen sie sich beim Regionalpartner-Treffen des Aktion Mensch-„Familienratgebers“, einem Portal für Menschen mit Behinderung und ihre Familien. Teil dieses Internet-Angebots ist eine Datenbank, in der sich über 25.000 Adressen von Organisationen der Behindertenhilfe und -selbsthilfe befinden. Die regionale Betreuung der Adressdaten des Familienratgebers übernehmen sogenannte Regionalpartner. Von diesen gibt es bundesweit mehr als 150. Claudia und Sebastian sind zwei von ihnen. Einmal im Jahr treffen sich die Regionalpartner, um zu erfahren, was es Neues beim Familienratgeber gibt und um Ideen auszutauschen. Für diejenigen, die schon länger dabei sind, ist es wie ein großes Klassentreffen mit der richtigen Mischung aus Arbeit und Spaß. Claudia und Sebastian schätzen die jährlichen Treffen besonders als Möglichkeit zum Informations- und Erfahrungsaustausch. „Man fragt die anderen Kollegen nach den Projekten, die sie in ihrer Region gestartet haben – mit welchem Erfolg? Was kann man besser machen? Wir profitieren von den Erfahrungen der anderen, zum Beispiel beim Ausrichten einer Veranstaltung. Wann ist der richtige Zeitpunkt dafür? Wer muss in der Vorbereitung mit eingebunden werden?“, erklärt Claudia.

Bis morgens um sieben geredet

„Die Claudi“, erinnert sich Sebastian an das erste gemeinsame Regionalpartner-Treffen in Bremen, „hat einige ziemlich schlagfertige Kommentare abgelassen, und da dachte ich mir, höre ich mir mal an, was sie noch zu erzählen hat.“ Das gemeinsame Gespräch und Kennenlernen endete dann erst morgens um sieben in der Hotellobby, als der Reinigungsdienst die beiden „rauskehrte“. Berufliche und private Themen vermischten sich im Laufe der langen Gesprächsnacht. „Wenn man die ganze Nacht durchmacht und sich unterhält, dann zeigt das einfach, dass vieles auf der zwischenmenschlichen Ebene passt“, sagt Claudia. „Und mir ist in dieser Nacht klar geworden, dass du eben wie ein Duracell-Männchen im Rollstuhl bist“, scherzt Sebastian.

Zusammen lachen und sich gegenseitig auf die Schippe nehmen

Was in der gemeinsamen Freundschaft passt, ist nicht zuletzt die gleiche Art von Humor. „Da ist viel Ironie mit im Spiel. Wir können zusammen lachen, auch über uns selbst“, sagt Sebastian. Das „Sich-gegenseitig-auf-die-Schippe-Nehmen“ ist dabei eine ihrer Spezialitäten. Ein Beispiel gefällig? Wie gesagt, wir haben Freitagabend und sitzen vor Claudias Stamm-Griechen bei Gyros, Bauernsalat und Rotwein. Sebastian hat seine Rückfahrkarte für Samstagnachmittag gebucht. „Warum bleibst du eigentlich nicht bis Sonntag“, fragt Claudia. „Das halte ich nicht aus“, antwortet Sebastian mit einem Augenzwinkern. Und im gleichen Moment fangen beide herzlich an zu lachen.

Was ihre Freundschaft sonst noch ausmacht, möchte ich wissen, bevor ich die beiden einer weiteren durchgemachten Gesprächsnacht überlasse. „Ich schätze das völlig Verrückte an ihr“, antwortet Sebastian nach kurzer Überlegung. „Man weiß nie, welcher Hammer als nächstes kommt. Und sie ist gnadenlos ehrlich.“ Und Claudia meint: „Egal, ob wir Spaß miteinander machen oder über ernste Themen sprechen, Basti macht kein oberflächliches Bla-Bla, sondern kommt direkt auf den Punkt.“

 

Übrigens: In einigen Regionen fehlen dem Familienratgeber noch Regionalpartner. Bewerben können sich Angehörige gemeinnütziger Institutionen. Näheres dazu findest du hier.

 

Linktipps:

Mehr Begegnungs- und Freundschaftsgeschichten auf der Aktion Mensch-Seite

Familienratgeber der Aktion Mensch

Hilfe in Ihrer Nähe: die Adressdatenbank des Familienratgebers

Eine Frau lächelt in die KameraEin lachender Mann

(Ulrich Steilen)

Fette Ernte

$
0
0

Ein Dutzend Kinder hakt und jähtet entlang einer langen Reihe von Gemüsepflanzen.

Kartoffeln, Karotten, Mangold & Co. kommen nicht aus dem Supermarkt, sondern wachsen auf dem Feld. Diese Entdeckung machen immer mehr Schülerinnen und Schüler, die an der „GemüseAckerdemie“ teilnehmen. Vom April bis Oktober werden sie zu kleinen Landwirten, Erntehelfern und findigen Gemüsehändlern.

Wenn sich Christiana Daudert und Maren Uhde einmal die Woche mit ihrer 4. Klasse von der Pestalozzi-Schule in Berlin-Zehlendorf treffen, geht es nicht um trockene Theorie. Dann werden die Hände schmutzig, die Kinder arbeiten sich durch dunkle Erde, sie säen, wässern und rupfen Unkraut. Am Ende werden sie mit einem Bund Karotten, einem Arm voll Mangold oder einem Eimer Kartoffeln belohnt. Was sie nicht selbst zubereiten und essen, können sie an Nachbarn, Großeltern oder Bekannte verkaufen und mit dem Erlös das Projekt unterstützen.

Ehrenamtliche Acker-Erklärer

Christiana Daudert ist eine von rund einem Dutzend freiwillig engagierter Mitarbeiter der GemüseAckerdemie in Berlin und Umgebung. Sie erklärt das Prinzip: „Wir teilen die Klasse in zwei Teams, die dann nacheinander auf den Acker gehen. Wir erklären dann, was für Aufgaben anstehen und unterstützen die Kinder wo nötig.“ Als „AckerMentorin“ erklären sie, was Pflanzen zum Wachsen brauchen, warum die einen Knollen bilden und andere nicht oder wie man Gemüse zubereitet.

Die 36-Jährige und ihre Kollegin sind nach dem Ende des Studiums zur GemüseAckerdemie gekommen. Beide haben Öko-Agrarmanagement studiert und sind damit echte Acker-Experten. Voraussetzung ist solch geballtes Fachwissen aber nicht. Christiana Henn, die als Regionalkoordinatorin für den Ackerdemia e.V. arbeitet, beschreibt die Zusammenarbeit: „Die GemüseAckerdemie stellt das Pflanz- und Saatgut zur Verfügung, dazu auch das nötige Know-how für die Lehrer und die Schulung von Freiwilligen.“ Alle Lehrer und Freiwilligen bekommen wöchentlich „AckerInfos“ per E-Mail zugeschickt, in denen beschrieben ist, was am nächsten Acker-Tag ansteht. Im Vorfeld gibt es zudem sowohl für die Freiwilligen als auch die Lehrer Workshops.

Es geht um Wertschätzung

Die Idee zu dem Programm hatte vor einigen Jahren Dr. Christoph Schmitz, dessen Eltern einen Bauernhof im Rheinland bewirtschaften. Des Öfteren besuchen Schulklassen den Hof. Sie ernten Kartoffeln, waschen und schälen sie und machen Pommes Frites daraus. Gemeinsam mit seiner Schwester, der Lehrerin Ulrike Päffgen, fragte er sich, inwieweit ein einzelner Tag auf dem Hof das Bewusstsein und Handeln von Kindern ändern könne und entwickelte ein ganzjähriges Bildungsprogramm. Es folgt dem Grundgedanken: Wer selbst einmal Gemüse angebaut, dieses gegessen und verkauft hat, der schätzt wert, was er isst und verschwendet nichts davon. An 20 Standorten in vier Bundesländern besuchen Kinder heute die GemüseAckerdemie.

Die 26 Kinder aus der Pestalozzi-Schule haben jetzt schon fette Beute gemacht. Alle Fortschritte ihres Projekts können sie auf dem Acker-Blog mit Fotos und Berichten dokumentieren. Der Spaß dabei ist jedenfalls so groß, dass sich etliche Schülerinnen und Schüler gemeldet haben, die sich auch in den Sommerferien um die Pflanzen kümmern.

Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch nach seinen individuellen Möglichkeiten selbstbestimmt leben und am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann. Dieses selbstverständliche Miteinander erreichen wir nur, wenn sich möglichst viele Menschen für eine inklusive Gesellschaft einsetzen und sie mitgestalten – zum Beispiel durch freiwilliges Engagement. Die Aktion Mensch bietet mit ihrer Freiwilligen-Datenbank einen Überblick über die zahlreichen Möglichkeiten: Menschen mit und ohne Behinderung können aus mehr als 13.000 Angeboten  das passende Engagement auswählen.

Weitere Ideen für inklusives Engagement finden Sie in der Freiwilligen-Datenbank.

(Henrik Flor)

Die Lebensmittelretter - restlos glücklich

$
0
0

Eine Frau reicht einem lachenden Mann einen Gegenstand, der eine Kiste mit Lebensmitteln hält.

„So kann es nicht weitergehen", dachte sich irgendwann Raphael Fellmer angesichts von 18 Millionen Tonnen Lebensmitteln, die allein in Deutschland Jahr für Jahr auf dem Müll landen. Inzwischen organisiert seine Plattform foodsharing.de 5.000 Engagierte, die Lebensmittel vor der Tonne retten.

Wahrscheinlich braucht es jemanden mit der Leidenschaft von Raphael Fellmer, um ein Projekt in dieser Größenordnung zu starten. Der 32-Jährige lebt seit 2010 im „Geldstreik“. Das heißt, er verdient kein Geld und gibt keines aus. Er lebt von dem, was die Überflussgesellschaft zu viel hat, und das ist eine ganze Menge. Anfangs durchsuchte er nachts noch Mülltonnen von Supermärkten, um an aussortierte Lebensmittel zu kommen. Dann kam ihm der Gedanke, dass sich dies doch auch anders organisieren lassen müsste. Er fand in Berlin eine Biosupermarkt-Kette, mit der er eine Vereinbarung traf: Jeden Tag zu einer fest verabredeten Zeit kann er oder einer seiner Mitstreiter zu einer der Filialen kommen und abgelaufene, aber noch genießbare Produkte mitnehmen. Das Unternehmen reduziert so radikal sein Müllaufkommen, die Lebensmittelretter (Foodsaver) sind mit Essen versorgt.

Verwenden, statt verschwenden

Dabei verbrauchen die Lebensmittelretter nur einen Teil ihrer Ausbeute selbst. Der größte Teil wird mit einem großen Netzwerk aus Vereinen, Tafeln, Suppenküchen, Freunden und Nachbarn geteilt. Was mit Biosupermärkten begann, umfasst heute hunderte Geschäfte und Läden in ganz Deutschland. 5.000 Abholer sind akkreditiert und werden von 300 Botschaftern koordiniert. Matthias Drabsch aus Berlin-Kreuzberg ist einer von ihnen. Der 28-jährige Projektmanager geht jede Woche bei einem türkischen Bäcker vorbei: „Dort stehen dann schon belegte Brötchen, Brote und süße Backwaren fertig verpackt bereit. Der größte Teil geht an einen öffentlich zugänglichen Kühlschrank in einem Wohnprojekt. Um den Rest kümmert sich dann meine WG oder wir Foodsaver treffen uns zum gemeinsamen Kochen.“ Die Lebensmittelretter müssen keine Bedürftigkeit nachweisen, entscheidend ist, dass sie die gemeinsame Philosophie teilen: verwenden, statt verschwenden.

Jeder kann mitmachen

Die umfangreiche Logistik ist nur möglich durch die Online-Plattform foodsharing.de, die Raphael Fellmer zusammen mit dem Programmierer Raphael Wintrich entwickelt hat. Und da nicht nur im Handel, sondern auch in jedem Privathaushalt Lebensmittel verschwendet werden, kann auf der Plattform jedermann Lebensmittel inserieren, die er nicht mehr braucht. Wer zum Beispiel in den Urlaub fährt und noch einen vollen Kühlschrank hat, listet alle Produkte in einem digitalen Essenskorb, der mit der Adresse und Kontaktmöglichkeit auf einer Karte für Abholer angezeigt wird.

300.000 LKW könnte man mit den Lebensmitteln befüllen, die jedes Jahr in Deutschland weggeworfen werden. Die freiwilligen Foodsaver sind zwar nur per Fahrrad, Handkarren oder Auto unterwegs, haben aber bei 150.000 Abholungen bereits mehrere tausend Tonnen Lebensmittel gerettet – und jeden Tag werden es mehr.

Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch nach seinen individuellen Möglichkeiten selbstbestimmt leben und am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann. Dieses selbstverständliche Miteinander erreichen wir nur, wenn sich möglichst viele Menschen für eine inklusive Gesellschaft einsetzen und sie mitgestalten – zum Beispiel durch freiwilliges Engagement. Die Aktion Mensch bietet mit ihrer Freiwilligen-Datenbank einen Überblick über die zahlreichen Möglichkeiten: Menschen mit und ohne Behinderung können aus mehr als 13.000 Angeboten  das passende Engagement auswählen.

Weitere Ideen für inklusives Engagement finden Sie in der Freiwilligen-Datenbank.

(Henrik Flor)

Zusammen einzigartig sein und Dinge bewegen

$
0
0

In einer Halle sitzen viele junge Menschen und arbeiten an ihren Laptops

In Paretz bei Berlin findet zurzeit das Campaign Boostcamp 2015 statt – ein Training für Aktivistinnen und Aktivisten, die gemeinsam Veränderungen in Politik und Gesellschaft anstoßen wollen. Lernziel: Erfolgreiche Kampagnenstrategien entwickeln und Aktionen planen, die viele Menschen erreichen.

Die Frage, was das Campaign Boostcamp ist, lässt sich von außen betrachtet natürlich relativ objektiv beantworten. Es steht außer Frage, dass es ein Trainingsprogramm für engagierte Menschen ist, die lernen wollen, wie man eine wirksame Kampagne plant und umsetzt – weil sie auf möglichst professioneller Ebene verschiedene Dinge verändern und bewegen wollen. Dass diese sehr sachliche Definition dem Boostcamp auf keinen Fall gerecht wird, merkt man erst, wenn man mittendrin steckt. Aus diesem Grund wage ich den Versuch einer persönlichen Innenansicht.

Ein Abenteuer mit Fremden

Zu Beginn war das Boostcamp in Berlin ein Abenteuer, das ich zusammen mit über dreißig fremden Gesichtern gestartet habe. Mit so viel Neuem konfrontiert zu sein, war sowohl spannend als auch irgendwie angsteinflößend. Wir standen alle reichlich nervös auf dem Schiff, welches uns in unser neues Zuhause bringen sollte.

Inklusion als Grundlage

Neben theoretischen und praktischen Elementen zur Kampagnenarbeit ist Inklusion eines der zentralen Themen des Campaign Boostcamps. Nicht nur, dass mit Raul Krauthausen ein sehr  bekannter Redner mit Behinderung dabei ist, der auch noch über inklusive Kampagnenarbeit spricht. In erster Linie wird der inklusive Ansatz dadurch sichtbar, dass die Organisatoren Wert darauf gelegt haben, eine sehr gemischte Gruppe an Teilnehmern zusammen zu stellen. Aber auch hier gilt, dass noch kein Meister vom Inklusionshimmel gefallen ist: Insbesondere Barrieren in der Kommunikation und im Alltagsleben müssen noch weiter abgebaut werden.

Ein Team aus Menschen mit Stärken und Schwächen

Das Besondere am Konzept des Campaign Boostcamp ist aber, dass die Gruppe der Teilnehmer nicht nur faktisch aus Menschen mit verschiedenen Bildungserfahrungen, kulturellen Hintergründen, Lebensumständen und Behinderungen besteht, sondern dass dieses Verschiedenheit auch immer wieder offen thematisiert wird. Dies führt dazu, dass aus den anderen um einem herum irgendwann nicht nur bekannte Gesichter werden, sondern dass wir zu einem Team von Menschen werden, deren Schwächen und Stärken man besonders gut kennt. Deswegen können wir uns untereinander auch punktgenau unterstützen.

Das Campaign Boostcamp ist ohne Zweifel ein Trainingsprogramm für gute Kampagnenarbeit, aber es ist nicht weniger ein Training mit und über Menschen und ihre Einzigartigkeit.

 

Linktipps:

Die Broschüre „Kampagnen für Alle: Leitfaden für inklusives Campaigning“ des Campaign Boostcamps

„Nachhilfe im Leben des Anderen“. Ulrich Steilen über das erste inklusive Campaign Bootcamp Deutschland 2014

Gruppenbild mit allen Boostcamp-TeilnehmernRaul Krauthausen beim Boostcamp Vortrag auf einer Bühne

(Tanja Kollodzieyski)

Klarer Sieg für Inklusion

$
0
0

Garcia und die Inklusionmannschaft bei der Motivationsansprache im Kreis.

Am 26. September findet der „Inklusionsspieltag“ statt: das Bundesliga-Spiel Werder Bremen gegen Bayer Leverkusen ganz im Zeichen der Vielfalt. Werder-Profi Santiago Garcia hat es beim Training mit den Bremer „Youngstars“ schon mal vorgemacht.

Klare Schwalbe von Garcia! Der muss Gelb kriegen! Okay, ganz so streng ist der Schiri beim Training der Bremer „Youngstars“ nicht. Einen Platzverweis könnte es eh nicht geben für den Abwehrspieler von Werder Bremen – schließlich freuen sich die Jungs und Mädchen mit Behinderung wie Bolle, dass ihr „Santi“ mal wieder da ist.

Ehrensache mit ganz viel Spaß

Für Santiago Garcia ist das nicht bloß Pflicht, und nicht mal nur Ehrensache. „Es macht mir sehr viel Spaß, ich war schon ein paar Mal dabei“, sagt der Argentinier, der bei Werder ein absoluter Sympathieträger ist. Kein Wunder: sein offenes Lachen, die spürbare Freude am Spiel mit den „Youngstars“ stecken an.

Das Training auf dem Werder-Gelände war aber nur ein kleiner Vorgeschmack auf den „Inklusionspieltag“ am 26. September im Weserstadion. Die Aktion Mensch möchte an diesem Tag zusammen mit der Bundesliga-Stiftung und Werder Bremen ein Zeichen für ein selbstverständliches Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung setzen. Rund um das Bundesliga-Spiel von Weder gegen Bayer Leverkusen wird es an dem Samstag eine ganze Menge Aktionen im Stadion geben, die alle eine Botschaft haben: Inklusion ist das Ziel und der Sport ein wichtiger Wegbereiter.

80 Kinder und Jugendliche bei den „Youngstars

Bei den „Youngstars“ kicken derzeit rund 80 Kinder und Jugendliche mit unterschiedlicher Behinderung. Trainer und Projektleiter Michael Arends kennt sie alle mit Namen und weiß bei allen genau, was ihnen wichtig ist, damit sie Spaß haben. Vanessa zum Beispiel, die nach langer Pause in den Sommerferien erstmal Angst hat – aber nach ihrem ersten Tor ist das vorbei. Oder Paul, der ein ziemlich altes Trikot der Werderlegende Claudio Pizzarro ausgegraben hat und darauf jetzt ein taufrisches Garcia-Autogramm bekommt.

Der Profi kostet das Training bis zur letzten Minute aus. Und strahlt. Toppen kann dieses Lachen nur seine Freundin Carla Arpi, die als Hockeyspielerin in Bremen aktiv ist. Für sie ist mit so einem Training schon der ganze Tag gerettet, erzählt die Argentinierin: „Wenn die Kinder lachen, dann wird mir klar, was wichtig ist und was nicht."

 

Linktipps:

Ein weiterer Bericht zum Training der "Youngstars"

Mehr zum Thema "Inkusion im Sport"

Supercup 2014: Fußball verbindet

Infos zur Kooperation der Aktion Mensch mit der Bundesliga-Stiftung

Linksammlung zum Thema "Kultur und Freizeit"

Garcia und ein Junge mit Down Syndrom dehnen sich gemeinsam.Garcia und die ganze Inklusionsmannschaft posieren für ein Bild.Garcia trainiert mit der Inklusionsmannschaft.Garcia erklärt einem Mädchen mit Behinderung etwas.

(Werner Grosch)

Ein Paar wie andere auch – und doch...

$
0
0

Mirien Carvalho und ihr Mann beim Spaziergang auf einem Feld

Mirien Carvalho Rodrigues ist blind, ihr Mann nicht. Das inklusive Paar wundert sich im Alltag immer wieder über die unbeholfenen Reaktionen anderer.

Zwei Frauen im Flugzeug, ein Gespräch, das sich tagtäglich so oder ähnlich abspielt: Mein Mann holt mich vom Flughafen ab. "Werden Sie auch erwartet?" – "Ja, mein Mann wird auch da sein." Kurze Pause. Ich fühle schon die Faust, die sich in meinem Bauch zusammenballt, denn ich ahne, was gleich kommt. Und richtig: "Kann Ihr Mann sehen?"

Bis eben saßen da noch einfach zwei Frauen, die von einer Reise zurückkehrten und freudig vom bevorstehenden Wiedersehen mit ihren Männern sprachen.

Auf meine Frage, warum sie das wissen wolle, kommt die Antwort wie aus dem Skript, das ich nach etlichen ähnlichen Situationen auswendig kenne: Sie dachte, es wäre doch schön, denn dann hätte ich jemanden, der alles für mich mache.

An guten Tagen lasse ich es abprallen – an schlechten leide ich darunter

Nie käme ich auf die Idee, einer Frau, die ich gerade im Flieger getroffen habe, zu unterstellen, dass ihr Mann alles für sie macht. Erkläre ich ihr dann, dass ich meinen Mann überhaupt nur kenne, weil ich allein nach Brasilien gereist bin, und zwar beruflich, ärgere ich mich im selben Moment darüber, mich gerechtfertigt zu haben. An guten Tagen lasse ich den Kommentar an mir abprallen und gehe lächelnd meiner Wege. An schlechten Tagen leide ich darunter, dass sich fremde Menschen das Recht herausnehmen, mir meine Fähigkeiten abzusprechen, ohne sich dabei indiskret oder unverschämt vorzukommen.

An einem heißen Nachmittag kaufen wir Getränke zum Mitnehmen in einem Imbiss. Ich packe den Einkauf in den Rucksack. Ein Gast zu meinem Mann: "Lassen Sie sie das selber machen, weil sie das lernen soll?"

Selbst, wenn wir händchenhaltend durch die Straßen schlendern und verliebt strahlen, sehen einige Menschen mit ihrem – mir oft als überlegen geschilderten – Sehvermögen einen Betreuer mit seinem Schützling.

Ob wir wollen oder nicht, das Thema beschäftigt uns immer wieder.

Soll mein Mann mir von mitleidigen Blicken erzählen oder mich davon verschonen? Wie soll er reagieren, wenn man ihn in meiner Gegenwart fragt, was ich trinken möchte? Und was antworte ich in diesen Momenten?

Die Partner müssen sich daran gewöhnen, aufzufallen

Im Laufe der Zeit haben wir viele Strategien ausprobiert, Reaktionen einstudiert und das Thema mit Paaren in der gleichen Situation diskutiert.

Mit Paaren, die auch nicht sind wie alle anderen, ist es meist am schönsten. Da stelle ich z. B. mit Paulo aus Angola gemeinsam fest, dass wir beide ohne viel Zutun stadtbekannt sind – ich wegen der Blindheit, er wegen seiner Hautfarbe. Die jeweiligen Partner müssen sich mit daran gewöhnen, angeglotzt zu werden und aufzufallen.

Nur ganz allmählich streiche ich nicht mehr jede unbeschwerte Begegnung in meinem emotionalen Kalender an. Und gerade nach Gesprächen mit anderen muss ich sagen: Es ist leider auch im Jahr 2015 noch nicht selbstverständlich, dass etwa eine Verkäuferin ganz normal mit ihrer blinden Kundin spricht, wenn noch ein sehender Mann dabei ist, dem sie doch alles erklären kann. Da wir aber nun einmal gerne zusammen einkaufen gehen, probieren wir es immer wieder aus, und immer öfter überwiegen die guten Erfahrungen.

 

Linktipps:

Beziehungsbarrieren. Petra Strack über das „inklusive Paar“

Das größte Handicap. Petra Strack und Raúl Krauthausen über Liebe und Partnerschaft von Menschen mit Behinderung

„Ich fühle mich besser mit ihm zusammen“. Carmen Molitor zum Thema Hochzeit von Menschen mit geistiger Behinderung

(Mirien Carvalho Rodrigues)


Mit dem Tandem Richtung inklusive Arbeitswelt

$
0
0

Tandems mit winkenden Fahrern auf einem Fahrradweg im Grünen

Vom 21. bis zum 23. September radeln viele Engagierte auf eTandems von Nürnberg bis München – mit dem Ziel, Inklusion im Berufsumfeld voranzutreiben. Unsere Autorin Katharina Hovestädt ist ein Stückchen mitgefahren.

Ich fahre täglich mit dem Rad zur Arbeit. Man könnte also sagen, ich bin ganz geübt auf Rädern – eine Fahrt auf einem Tandem, das noch dazu einen elektronischen Zusatzanschub hat, kann da doch gar kein Problem sein. Und doch ist es ein ziemlich merkwürdiges Gefühl, hinter einer Person, die ich überhaupt nicht kenne, auf ein Tandem zu steigen. Denn ich muss dieser Person vertrauen. Hinten habe ich keine Schaltung, keine Lenkung und keine Bremse. Keine Kontrolle. Die Kontrolle hat Carolin: eine junge Frau, blond, gerade kennengelernt, sitzt als Pilotin vor mir. Aber nach ein paar wackligen Metern klappt unser Zusammenspiel schon wunderbar. Aus dem mulmigen Gefühl wird Entspannung und schließlich Spaß.

Gemeinsam unterwegs

Wir sind nicht das einzige Tandem-Team auf Nürnbergs Straßen. Vor und neben uns sind rund 20 andere Teilnehmer, die alle ein Ziel haben: Für Inklusion am Arbeitsplatz werben. Für ein selbstverständliches Miteinander. Unter anderem mit dabei sind die Profi-Sportlerinnen Anna Schaffelhuber, Christiane Reppe, Behindertenbeauftragte Verena Bentele und Aktion Mensch-Vorstand Armin v. Buttlar. MyHandicap hat diese Tour zusammen mit vielen Unterstützern geplant und umgesetzt. Auf dem Weg durch die Straßen und Feldwege Bayerns besuchen die Teilnehmer Stadtverwaltungen und Unternehmen, diskutieren zusammen mit ihnen über Inklusion und lassen sich die aktuelle Situation vor Ort zeigen.

Zwischenstopps in der Praxis

Heute sind wir im Rathaus Erlangen, dort werden wir mit Getränken und Brezeln begrüßt. Danach geht es weiter zu Siemens, die uns eine Führung durch eine Integrationsabteilung ihrer Werke geben. Schließlich besuchen wir noch die von der Aktion Mensch geförderte Access gGmbH. Sie hilft Menschen mit Behinderung, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Ein Überraschungsgast wartet dort auch noch auf uns: Aktivist Raul Krauthausen.

Perspektivenwechsel

Während der letzten Etappen tauschen Carolin und ich die Positionen. Jetzt sitze also ich vorne und habe die Kontrolle, kann schalten, lenken, bremsen. Doch auch diese Situation fühlt sich irgendwie komisch an. Es ist nicht nur Kontrolle, sondern auch Verantwortung für Carolin hinter mir, die mir schon längst nicht mehr so fremd erscheint. Nach ein paar Metern macht aber so das Fahren Spaß. „Man ist beim Tandem-Fahren zu zweit nicht nur schneller“, sagt der Gründer von MyHandicap, Joachim Schoss, „sondern man hat auch noch gemeinsam viel mehr Spaß!“ Das stimmt. Die Höchstgeschwindigkeit von Carolin und mir lag bei 38,5 km/h, und alle Teilnehmer der Tour haben fast die ganze Zeit gelächelt.

 

Linktipps:

Mehr zum Thema Inklusion am Arbeitsplatz bei der Aktion Mensch

Das „Inklusionsbarometer Arbeit 2014“ der Aktion Mensch (PDF, 3,6 MB)

Die Arbeitswelt von morgen. Ulrich Steilen über das Thema „Arbeitsleben und Unternehmensentwicklung“ beim Zukunftskongress „Inklusion 2025“

Der Fall – oder: Wenn man uns ließe! Anastasia Umrik über Hürden und Pauschalisierungen bei der Jobsuche

Beruf inklusiv: Fester Job im Hotel. Heiko Kunert über ein Netzwerk zur Eingliederung von Menschen mit Behinderung in den Ersten Arbeitsmarkt

Fachkräftemangel als Chance für Menschen mit Behinderung? Eva Keller über die Chancen von Menschen mit Behinderung im Handwerk

Winkende Tandem-Fahrer im GrünenCarolin und Katharina auf dem TandemAnna Schaffelhuber auf einem Handbike Verena Bentele und Christiane ReppeRaul Krauthausen im Gespräch mit MyHandicap-Geschäftsführer Robert Freumuth

(Katharina Hovestädt)

Nachhaltigkeit, Mode, Persönlichkeit

$
0
0

Ninia LaGrande vor einem prall gefüllten Kleiderschrank

Autorin, Poetry-Slammerin, Speakerin. Ninia Binias, alias Ninia LaGrande, hat die Slambühne gegen die TV-Kamera getauscht und moderiert zwei Mode-Sendungen bei RTL. Nun ist sie auch das Gesicht einer Aktion Mensch-Kampagne für das Glückslos, bei der sie ordentlich Klamotten shoppt. Ein Gespräch mit der 32-Jährigen über Nachhaltigkeit, Mode und was diese mit der Persönlichkeit zu tun hat.

Leidmedien.de: Ninia, wie kam es zu der Fernsehsendung „Ninias Fashion Mag?

Ninia LaGrande: Die Produktionsfirma der Sendung hat bei meiner Künstleragentur nach Moderatoren gesucht. Ich bin ihnen aufgefallen, weil ich auf den Fotos noch orangefarbene Haare trug. Auf den Fotos sah man meine Körpergröße nicht. Die Produzentin kam zu mir nach Hannover und drehte ein kurzes Video von mir. Zwei Tage nach dem Videodreh habe ich Bescheid bekommen, dass sie gerne mit mir arbeiten wollen. Dann haben wir zwei Monate gedreht, mal in Köln, mal in Berlin.

Leidmedien.de: Warum sind es zwei Sendungen? Also „Ninias Fashion Mag“ und im Anschluss „Ninias Style der Woche“?

Ninia LaGrande:RTL stellt den Produktionsfirmen den Sendeplatz zur Verfügung. Diese können ihn dann so nutzen, wie sie wollen. Wir haben zwei Teile daraus gemacht, da es jeweils andere Konzepte sind. Das Fashion Mag ist informativer. Wir haben beispielsweise eine Design-Schule besucht und andere Menschen, die beruflich mit Mode zu tun haben, wie Blogger oder eine Hutmacherin. Beim „Style der Woche“ sind wir in Köln im Studio und stylen eine Probandin oder einen Probanden um. Wir verkleiden die Menschen aber nicht, das ist mir wichtig. Die Kandidaten sind Leute, die sich für Mode interessieren und mal ein bisschen was Neues ausprobieren wollen.

Leidmedien.de: Wie war das Feedback zur Sendung?

Ninia LaGrande: Auf Twitter war es positiv, zumindest das, was ich gelesen habe. Die Leute fanden gut, dass es eine Sendung mit einer Moderatorin ist, die nicht den üblichen Erwartungen entspricht. Sie meinten auch, dass ich natürlich rüber komme. Für Schnitt und Kamera gab es auch Lob. Das hat mich gefreut. Zur ersten Folge habe ich eine kleine Frühstücksparty mit Freundinnen gemacht, die waren alle begeistert. Ich wäre vor der Kamera auch so, wie sie mich eigentlich kennen. Es war mir wichtig, dass es nicht dieses aufgesetzte Jugend-Moderations-Ding wird.

Leidmedien.de: Es wird eine zweite Staffel von „Ninias Fashion Mag“ geben. Wie ist Dein Fazit ausgefallen? Und könntest Du uns einen Ausblick auf die neue Staffel geben?

Ninia LaGrande: Ich freue mich sehr auf die zweite Staffel! Das Moderieren hat mir super viel Spaß gemacht. In der ersten Staffel haben wir viel ausprobiert, wir haben uns als Team zusammengefunden und viele tolle Dinge erlebt. Bei der zweiten Staffel soll der Fokus mehr auf Nachhaltigkeit liegen. Wir wollen auch mal ernste Themen ansprechen. Und: Es gibt noch weitere Berufe, die wir vorstellen – darauf freue mich besonders!

Leidmedien.de: In der gesamten Sendung wird nicht erwähnt, dass Du kleiner bist als andere ...

Ninia LaGrande: Genau. Es gibt eine Kiste, auf der ich manchmal stehe. Denn ich finde es teilweise blöd, wenn ich neben jemanden stehe, den ich umstyle oder befrage, und der ist 1,80 oder 1,90 Meter groß. Dann sieht das mega doof aus, wenn die Kamera ständig hin und her schwenken muss oder weit raus zoomen muss, um uns beide auf ein Bild zu bekommen. Der Anstoß für die Kiste kam von mir. Auch, dass wir sie nicht weiter thematisieren.

Sehen Sie auch das Video zu diesem Beitrag

Leidmedien.de: Du betreibst selbst auch ein Blog, auf dem es auch unter anderem über Mode geht. Würdest du Dich als Mode-Bloggerin bezeichnen?

Ninia LaGrande: Ich interessiere mich für Mode, bin aber nicht die klassische Mode-Bloggerin. Auf Instagram poste ich jeden Tag mein Outfit, mit dem Hashtag #609060 versehen. Der Hashtag wurde von der Macherin des Blogs journelle.de initiiert. Es ist ein Zeichen gegen Schönheitsnormen. Sie will zeigen, dass es große, kleine, dicke und dünne Leute, also alle möglichen Leute gibt. Das Hochladen der Fotos kommt gut an, und gleichzeitig habe ich jetzt ein Archiv meiner Outfits.

Leidmedien.de: Warum liest Du Modeblogs?

Ninia LaGrande: Ich lese ein paar deutsche, ein paar amerikanische und auch ein, zwei schwedische Blogs. Die „lese“ ich jetzt nicht, weil ich es nicht verstehe – da schau ich mir dann die Fotos an. Ich mag es einfach, wenn Leute außergewöhnlich gestylt sind. Also nicht Blogs, wo die Betreiberinnen sich die teuersten Klamotten kaufen und die 50. Tasche von Channel. Das ist nur Angeberei. Mich interessieren eher Blogger, die kreativ sind und zeigen, dass man auch Sachen verrückt miteinander kombinieren kann. Außergewöhnliche Dinge, das mag ich lieber. Ich lasse mich auch viel über Instagram inspirieren.

Leidmedien.de: Was bedeutet Mode allgemein für Dich?

Ninia LaGrande: Mode ist für mich ein Mittel, meine Launen täglich auszudrücken und sich auch mal zu verkleiden. Nicht in dem Sinne, dass ich mich verkleide, um mich zu verstecken. Sondern zu zeigen, dass ich auch mit meinem kleinen Körper viele interessante Sachen machen kann. Ich drücke mich gerne über mein Outfit aus, ich wurschtel mir gerne Tücher in die Haare, ich trage gerne Ringe und Brillen – all sowas.

Leidmedien.de: Wie hast Du zu deinem persönlichen Kleidungsstil gefunden?

Ninia LaGrande: Der war schon immer bunt und ausgefallen. Früher in der Schule musste ich mir fast jeden Tag irgendwelche Kommentare anhören, weil ich so völlig ausgeflippt angezogen dahin gegangen bin. Ich bin meiner Mutter aber sehr dankbar dafür, dass sie nie gesagt hat: „So gehst du mir nicht aus dem Haus, das sieht total bescheuert aus.“ (lacht) Sie hat mich einfach losgeschickt, damit ich es ausprobiere und selber merke, was geht und was nicht so richtig geht.

Leidmedien.de: Achtet Ihr in den Sendungen eigentlich darauf, ob die Kleidung nachhaltig produziert wurde?

Ninia LaGrande: Ich persönlich hätte die Nachhaltigkeit sogar gerne als Thema in der Sendung gehabt. Mit Fragen, wie man es z.B. mit Primark hält. Wir haben in dieser Staffel aber ehrlich gesagt nicht so drauf geachtet und hatten auch Sachen von Zara und Co. dabei. Aber es ist mir wichtig, und das betonen wir auch mehrmals in der Sendung, dass man ein bisschen nachdenkt, bevor man wieder irgendwelche Hamsterkäufe macht und nach dem ersten Tragen alles wegschmeißt. Tauschpartys finde ich genial und hoffe, dass wir in der zweiten Staffel eine ganze Sendung darüber machen.

Leidmedien.de: Gehst Du persönlich zu Primark?

Ninia LaGrande:(lacht) Nee. Ich war einmal da, als er in Hannover eröffnet hat, um mir den Spaß mal anzugucken. Mal ganz abgesehen davon, woher die Kleidung stammt, gefiel mir die Art des Einkaufens dort nicht. Nun muss ich aber auch sagen, dass die Leute immer viel auf Primark rumhacken, aber die Klamotten von S.Oliver, Esprit, Zara und H&M werden alle unter den gleichen Bedingungen hergestellt.

Ich verstehe aber, dass man als Teenie nicht so viel Geld hat und auch keine Geduld, so lange zu sparen, bis man sich etwas Hochwertiges leisten kann.

Leidmedien.de: Wie konsumierst du nachhaltig Klamotten? Wie geht das?

Ninia LaGrande: Ich mag Mützen sehr gerne. Letzten Winter habe ich mir eine Mütze aus fairer Herstellung gekauft, die gleich mal 50€ gekostet hat. Ich fand die aber schön, und sie hat gut gepasst. Ich gehe selbst oft auf Tauschmärkte, Flohmärkte, oder wenn Klamotten mir nicht mehr gefallen oder passen, dann sortiere ich die aus und frag im Freundinnenkreis rum, ob das jemand haben möchte, oder nehme das dann mit zur nächsten Tauschparty. In Hannover gibt es eine tolle Veranstaltung. Da kann man Sachen abgeben und sich anschauen, was die anderen für Sachen abgegeben haben. Je nachdem, wie viel man abgegeben hat, kriegt man Marken, für die kann man dann wiederum was mitnehmen. Alles, was nicht mitgenommen wird, wird gespendet. Alles bleibt in einem Kreislauf, das ist cool. Ich versuche, Sachen immer erst neu zu kombinieren, bevor ich sie abgebe. Ich schmeiße eh nur Sachen weg, die hoffnungslos kaputt sind, den Rest versuche ich irgendwie abzugeben oder zu tauschen.

Leidmedien.de: Hast Du kein Teil im Schrank, das du einmal gekauft und dann nie angezogen hast?

Ninia LaGrande: Nein, das hab ich tatsächlich nicht mehr. Das hatte ich früher, hab dann irgendwann mal aussortiert. Meine Regel lautet: Wenn ein neues Stück in den Kleiderschrank reinkommt, muss ein anderes raus. Damit es nicht zu viel wird.

 

Tipps von Ninia LaGrande in Sachen Modeblogs:

 

Dieses Interview ist zuerst auf dem Blog von Leidmedien.de erschienen.

 

Linktipps:

Wer ein großes Herz hat, darf auch einen großen Kleiderschrank haben: Machen Sie Ihre Mode-Träume wahr bei der großen Sonderverlosung am 3.11.

Kaufrausch ohne schlechtes Gewissen? Kein Problem mit unserem neuen Glücks-Los: Unser TV-Spot mit Ninia LaGrande

Nach Maß. MENSCHEN. das magazin über Projekte, die Mode (nicht nur) für Menschen mit Behinderung optimieren wollen

Rollstuhlgerechte Mode – eine Entdeckungsreise. Marie Gronwald über zeitgemäße und vor allem erschwingliche Mode für Menschen im Rollstuhl

Inklusion und Mode: Mehr Mut bitte. Anastasia Umrik über die Berliner Fashion Week und Inklusion in der Modewelt

Hemdless – Mode für alle. Eva Keller über zwei junge Designer, die Blusen und Hemden für Menschen mit Down-Syndrom entwerfen. Aber nicht nur für sie …

(Redaktion )

Gemeinsam für Inklusion

$
0
0
Sport und Inklusion gehören einfach zusammen. Beim Bundesliga-Spiel SV Werder Bremen gegen Bayer 04 Leverkusen stand neben dem Fußball auch Vielfalt ganz klar im Vordergrund.

Es ist der siebte Spieltag. Vor dem Weser-Stadion steht neben den Fanartikel-Shops und den Würstchen-Buden ein weiterer Stand mit einem großen Schild: "Gemeinsam für Inklusion". Heute geht es bei dem Bundesliga-Spiel nicht nur um Fußball, sondern auch um ein selbstverständliches Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung.

Die Aktion Mensch hat zusammen mit SV Werder Bremen und der Bundesliga-Stiftung Aktionen organisiert, die das Thema Inklusion vorantreiben sollen. Einlauf-Kinder mit und ohne Behinderung, ein Informations-Stand und viele Mitmach-Aktionen sollten zeigen: Fußball schauen macht gemeinsam einfach am meisten Spaß.

Und auch wenn Werder Bremen das Spiel 0:3 verloren hat, für Inklusion war der Tag auf jeden Fall ein Gewinn!

Linktipps:

Artikel zum Inklusionsspieltag bei Werder Bremen

Mehr zum Thema Inklusion und Sport

Bericht und Video zum Supercup 2014

Der Inklusionsspieltag

Sehen Sie auch das Video zu diesem Beitrag

Die Fußballer und die Einlaufkinder mit und ohne Behinderung stehen auf dem Platz und winken den Fans zu.Die Fußballer von Werder Bremen und Bayer Leverkusen kommen ins Stadion. Sie haben Einlaufkids mit und ohne Behinderung an der Hand. Die Spieler und die Kinder tragen weiße Aktionstag-Tshirts auf denen "Gemeinsam für Inklusion" steht.Menschen mit und ohne Behinderungen stehen Spalier am Spielertunnel im Weser-Stadion.Eine Gebärdensprachdolmetscherin übersetzt, was passiert.Der Aktion Mensch-Chef Armin v. Buttlar (mitte) spricht in der Halbzeitpause mit dem inklusiven Stadionsprecher-Team über die Aktionstag.Fans machen ein Foto mit dem Fußballer Fin Bartels von Werder Bremen am Aktionsstand.Fußballfans auf dem Stadionvorplatz. In der Mitte ist ein aufblasbares Kissen zu sehen, darauf steht "Gemeinsam für Inklusion".Der gemeinsame Infostand von Werder Bremen, der Bundesliga-Stiftung und der Aktion Mensch zum Aktionstag.  Zwei Werder Bremen-Fans zeigen ihr Fotobox-Bild in die Kamera. Sie lachen.Besucher testen den Rolliparcours am Aktionsstand vor dem Stadion.

(Katharina Hovestädt)

„Begegnungen sind mein Glücksmacher Nr. 1“

$
0
0
Nelson Müller

Sternekoch Nelson Müller ist oft im Fernsehen zu Gast und der Betreiber von zwei Restaurants und einer Kochschule in Essen. In seiner Freizeit engagiert er sich ehrenamtlich bei verschiedenen sozialen Projekten. Darunter ist auch die Ehrenamtsagentur in Essen, die ein Netzwerkpartner der Aktion Mensch-Freiwilligendatenbank ist.

Ein lachender Nelson Müller mit anderen Kochevent-Teilnehmern in der Küche

Einmal zusammen mit einem Sternekoch ein leckeres Menü zaubern – diesen Traum haben sich neun Aktion Mensch-Gewinner erfüllt. Wir waren dabei.

Es riecht nach frischen Gewürzen, auf einem großen gedeckten Tisch brennen Kerzen, hier kann man sich wohlfühlen. Doch bevor wir gemütlich zusammen essen, steht erstmal das gemeinsame Kochen auf dem Programm, unter der Anleitung von Nelson Müller!

Auf der Arbeitsfläche in der Küche am Ende des Raums liegen leckere Zutaten: ein großes Stück Schweinefilet, ein Teller mit fünfzehn Doraden, zwei große Kürbisse, Jakobsmuscheln und verschiedene Gemüsesorten. Nelson stellt das heutige 4-Gänge-Menü vor, und dann geht’s los. Für Nervosität ist keine Zeit.

Wir schneiden den Kürbis für eine Kürbissuppe, filetieren den Fisch, bereiten Jakobsmuscheln zu, braten das Schweinefilet und backen Schokoladentarte für das Dessert. Die Stimmung ist gut, und alle holen sich ein paar Kochtipps bei dem Sternekoch.

Nach drei Stunden ist alles fertig, die Gewinner und ich lehnen uns entspannt zurück und wir genießen, was wir da in den letzten Stunden gezaubert haben. Ich schnappe mir noch Nelson und stelle ihm ein paar Fragen.

 

Aktion Mensch: Herr Müller, das war ein toller Abend. Aber drei Stunden habe ich jetzt nicht jeden Tag Zeit, um in der Küche zu stehen. Haben Sie auch einen Tipp, was ich kochen kann, wenn es mal richtig schnell gehen muss?

Nelson Müller: Ich finde, wenn es schnell gehen muss, hilft eigentlich immer ein Eintopf. Das ist einfach nur Gemüse, was kleingeschnitten wird. Wenn man möchte, kann man noch ein Kraftpaket wie eine Mettwurst oder Geflügel hinzufügen. Dann hat man ein sehr nahrhaftes Gericht, was warm ist, was warm ums Herz macht und vor allem auch gesund ist.

Aktion Mensch: Werden Sie eigentlich noch zum Essen eigeladen und gehen Sie selber noch essen?

Nelson Müller: Ja, ich gehe sehr gerne essen. Ich genieße es natürlich, mal nicht selber am Herd zu stehen. Genauso genieße ich es, wenn ich mal eingeladen werde. Das ist dann auch sehr unkompliziert, weil ich in erster Linie froh bin, dass ich es nicht selber machen muss. Ich bin einfach dankbar, dass sich jemand die Mühe macht. Denn ich weiß ja, wie viel Arbeit das ist.

Aktion Mensch: Wenn Sie mal nicht kochen, dann engagieren Sie sich ehrenamtlich in vielen sozialen Projekten in Essen. Was treibt Sie an?

Nelson Müller: Wir sind hier eine Region, in der viele Menschen leben und in der es auch viele Menschen gibt, denen es nicht gut geht. Ich finde immer, man muss gar nicht so weit schauen, um helfen zu können und zu helfen. 

Aktion Mensch: Gibt es etwas, was Sie durch Ihr ehrenamtliches Engagement schätzen gelernt haben oder was Sie weitergeben möchten?

Nelson Müller: Wichtig ist einfach, dass jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten handelt. Es soll sich gut anfühlen.

Aktion Mensch: Wann fühlen Sie sich gut? Was macht Sie glücklich?

Nelson Müller: Mich machen viele Sachen glücklich. Momentan machen mich vor allem Begegnungen und Zeit mit meinen Freunden und meiner Familie glücklich. Das ist momentan mein Glücksmacher Nr. 1. Aber natürlich gibt es für mich auch manchmal Glück materieller Art – wenn man etwas geschafft hat und es gut läuft, zum Beispiel in meinem Unternehmen.

 

Ein Blogbeitrag von Xenia Fischer.

 

Linktipps:

Begegnung beim Kochen. Henrik Flor über das Projekt „Über den Tellerrand kochen“, das Flüchtlinge mit Einheimischen zusammenbringt

Teilhabe zwischen Töpfen und Tellern. Timo Klippstein über ein Beispiel gelungener Inklusion am Arbeitsplatz

„Zur Not schreibe ich eine WhatsApp“. Eva Keller über ein Frankfurter Gastro-Ausbildungsprojekt für Hörende und Gehörlose

Nelson Müller mit einem MikrofonNelson Müller in der Küche mit anderen Kochevent-TeilnehmernNelson Müller und die anderen Kochevent-Teilnehmer bereiten Jakobsmuscheln zuNelson Müller kocht mit den Gewinnern über dampfenden Töpfen und PfannenAbendessen beim Kochevent an einer festlich gedeckten Tafel mit Kerzenleuchtern

(Redaktion )

„Begegnungen sind mein Glücksmacher Nr. 1“

$
0
0
Nelson Müller

Sternekoch Nelson Müller ist oft im Fernsehen zu Gast und der Betreiber von zwei Restaurants und einer Kochschule in Essen. In seiner Freizeit engagiert er sich ehrenamtlich bei verschiedenen sozialen Projekten. Darunter ist auch die Ehrenamtsagentur in Essen, die ein Netzwerkpartner der Aktion Mensch-Freiwilligendatenbank ist.

Ein lachender Nelson Müller mit anderen Kochevent-Teilnehmern in der Küche

Einmal zusammen mit einem Sternekoch ein leckeres Menü zaubern – diesen Traum haben sich neun Aktion Mensch-Gewinner erfüllt. Wir waren dabei.

Es riecht nach frischen Gewürzen, auf einem großen gedeckten Tisch brennen Kerzen, hier kann man sich wohlfühlen. Doch bevor wir gemütlich zusammen essen, steht erstmal das gemeinsame Kochen auf dem Programm, unter der Anleitung von Nelson Müller!

Auf der Arbeitsfläche in der Küche am Ende des Raums liegen leckere Zutaten: ein großes Stück Schweinefilet, ein Teller mit fünfzehn Doraden, zwei große Kürbisse, Jakobsmuscheln und verschiedene Gemüsesorten. Nelson stellt das heutige 4-Gänge-Menü vor, und dann geht’s los. Für Nervosität ist keine Zeit.

Wir schneiden den Kürbis für eine Kürbissuppe, filetieren den Fisch, bereiten Jakobsmuscheln zu, braten das Schweinefilet und backen Schokoladentarte für das Dessert. Die Stimmung ist gut, und alle holen sich ein paar Kochtipps bei dem Sternekoch.

Nach drei Stunden ist alles fertig, die Gewinner und ich lehnen uns entspannt zurück und wir genießen, was wir da in den letzten Stunden gezaubert haben. Ich schnappe mir noch Nelson und stelle ihm ein paar Fragen.

 

Aktion Mensch: Herr Müller, das war ein toller Abend. Aber drei Stunden habe ich jetzt nicht jeden Tag Zeit, um in der Küche zu stehen. Haben Sie auch einen Tipp, was ich kochen kann, wenn es mal richtig schnell gehen muss?

Nelson Müller: Ich finde, wenn es schnell gehen muss, hilft eigentlich immer ein Eintopf. Das ist einfach nur Gemüse, was kleingeschnitten wird. Wenn man möchte, kann man noch ein Kraftpaket wie eine Mettwurst oder Geflügel hinzufügen. Dann hat man ein sehr nahrhaftes Gericht, was warm ist, was warm ums Herz macht und vor allem auch gesund ist.

Aktion Mensch: Werden Sie eigentlich noch zum Essen eingeladen und gehen Sie selber noch essen?

Nelson Müller: Ja, ich gehe sehr gerne essen. Ich genieße es natürlich, mal nicht selber am Herd zu stehen. Genauso genieße ich es, wenn ich mal eingeladen werde. Das ist dann auch sehr unkompliziert, weil ich in erster Linie froh bin, dass ich es nicht selber machen muss. Ich bin einfach dankbar, dass sich jemand die Mühe macht. Denn ich weiß ja, wie viel Arbeit das ist.

Aktion Mensch: Wenn Sie mal nicht kochen, dann engagieren Sie sich ehrenamtlich in vielen sozialen Projekten in Essen. Was treibt Sie an?

Nelson Müller: Wir sind hier eine Region, in der viele Menschen leben und in der es auch viele Menschen gibt, denen es nicht gut geht. Ich finde immer, man muss gar nicht so weit schauen, um helfen zu können und zu helfen. 

Aktion Mensch: Gibt es etwas, was Sie durch Ihr ehrenamtliches Engagement schätzen gelernt haben oder was Sie weitergeben möchten?

Nelson Müller: Wichtig ist einfach, dass jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten handelt. Es soll sich gut anfühlen.

Aktion Mensch: Wann fühlen Sie sich gut? Was macht Sie glücklich?

Nelson Müller: Mich machen viele Sachen glücklich. Momentan machen mich vor allem Begegnungen und Zeit mit meinen Freunden und meiner Familie glücklich. Das ist momentan mein Glücksmacher Nr. 1. Aber natürlich gibt es für mich auch manchmal Glück materieller Art – wenn man etwas geschafft hat und es gut läuft, zum Beispiel in meinem Unternehmen.

 

Ein Blogbeitrag von Xenia Fischer.

 

Linktipps:

 

Begegnung beim Kochen. Henrik Flor über das Projekt „Über den Tellerrand kochen“, das Flüchtlinge mit Einheimischen zusammenbringt

Teilhabe zwischen Töpfen und Tellern. Timo Klippstein über ein Beispiel gelungener Inklusion am Arbeitsplatz

„Zur Not schreibe ich eine WhatsApp“. Eva Keller über ein Frankfurter Gastro-Ausbildungsprojekt für Hörende und Gehörlose

Nelson Müller mit einem MikrofonNelson Müller in der Küche mit anderen Kochevent-TeilnehmernNelson Müller und die anderen Kochevent-Teilnehmer bereiten Jakobsmuscheln zuNelson Müller kocht mit den Gewinnern über dampfenden Töpfen und PfannenAbendessen beim Kochevent an einer festlich gedeckten Tafel mit Kerzenleuchtern

(Redaktion )

Klischee Ade

$
0
0

Eine junge und eine ältere Frauen schauen sich gemeinsam ein Foto an.

Das Essener Projekt „17/70“ bringt Jung und Alt zusammen und liebgewonnene Generationen-Klischees ins Wanken. Für viele der jugendlichen Teilnehmer ist es das erste, aber sicher nicht das letzte freiwillige Engagement.

Einmal in der Woche macht sich Sebastian Wenzel auf den Weg ins Johann-Grimhold-Haus, einer diakonischen Einrichtung für Senioren. Er ist dann mit Hella Dettmann verabredet. Zwischen dem Abiturienten und der ehemaligen OP-Schwester liegen nicht weniger als 67 Lebensjahre und doch ist es gerade der große Altersunterschied, der die beiden verbindet. Sebastian Wenzel erklärt das so: „Ich konnte früher nicht besonders viel mit älteren Menschen anfangen. Das hat sich aber durch Frau Dettmann gründlich geändert. Mich beeindruckt, was sie schon alles erlebt hat!“ Die 84-Jährige freut sich über die Abwechslung in ihrem Alltag und ist neugierig, wie jemand, der ihr Enkel sein könnte, die Welt sieht. Hella Dettmann: „Sebastian ist so etwas wie mein Draht nach draußen. Mit Gleichaltrigen kann ich ja immer reden.“ Inzwischen kennen sich die beiden bestens, erzählen sich Neuigkeiten oder spielen einfach Mensch-ärgere-dich-nicht.

Jede Menge neue Erfahrungen

Das Begegnungsprogramm hat die Ehrenamt Agentur Essen e.V. entwickelt. Seit 2006 startet jedes Jahr eine neue Staffel des Projekts „17/70 - Junge Paten für Senioren“. Mitarbeiter der Agentur besuchen im Vorfeld Schulen und mobilisieren Schülerinnen und Schüler aus den 8. und 9. Klassen. Zehn Monate besuchen die Teenager dann wöchentlich eine Seniorin oder einen Senior. Die Einrichtung suchen sie sich selbst. Zusätzlich nehmen die Freiwilligen an Workshops teil, in denen die Jugendlichen etwa spielerisch erfahren, wie es sich anfühlt, alt zu sein. Sie sprechen mit den Teamern über die eigenen Großeltern, auch über Krankheit und Tod. Schließlich kommt es immer wieder vor, dass im Laufe der Projektzeit einer der alten Menschen verstirbt. Hendrik Rathmann, der bei der Ehrenamt Agentur Essen e.V. für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist, ist immer wieder beeindruckt vom Engagement der Teenager: „Die lassen sich hier schon auf etwas ein! Viele hatten vorher gar keine Berührungspunkte mit Alter oder Tod. Hier finden Begegnungen statt, die manchmal einschneidend, auf jeden Fall aber prägend sind.“

Wo Engagement-Karrieren beginnen

Auch die heute 26-jährige Morsal Ahmadi hat regelmäßig eine Seniorin besucht. Nach dem Ende der zehn Monate war für sie klar, dass sie sich weiter engagieren will. Neben dem Studium hat sie dann mehrere Jahre Engagement-Interessierte in der Ehrenamt Agentur beraten. Wie ihr geht es vielen aus dem Projekt. Nicht immer schließt sich das nächste Engagement sofort an. Vielleicht ist erst einmal die Abitur-Vorbereitung wichtiger. Aber später, wenn wieder Zeit ist und die Neugier auf ungewöhnliche Begegnungen geblieben ist, soll es weitergehen.    

Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch nach seinen individuellen Möglichkeiten selbstbestimmt leben und am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann. Dieses selbstverständliche Miteinander erreichen wir nur, wenn sich möglichst viele Menschen für eine inklusive Gesellschaft einsetzen und sie mitgestalten – zum Beispiel durch freiwilliges Engagement. Die Aktion Mensch bietet mit ihrer Freiwilligen-Datenbank einen Überblick über die zahlreichen Möglichkeiten: Menschen mit und ohne Behinderung können aus mehr als 13.000 Angeboten  das passende Engagement auswählen.



Weitere Ideen für inklusives Engagement finden Sie in der Freiwilligen-Datenbank.

(Henrik Flor)

Blind und mobil – dank Apps und weißem Stock

$
0
0

Ein blinder Mann hält ein Smartphone mit Kopfhörer in seinen Händen

Inzwischen gibt es immer mehr Apps für Menschen mit Sehbehinderung. Könnten sie in der Zukunft vielleicht sogar den weißen Stock ersetzen? Unser Blogger Heiko Kunert hat sich mit der Frage beschäftigt.

Jährlich begehen blinde Menschen und ihre Verbände am 15. Oktober den Tag des weißen Stockes, um auf die Lage blinder und sehbehinderter Menschen hinzuweisen. Der Tag geht zurück auf eine symbolische Übergabe von weißen Stöcken an blinde Menschen, die US-Präsident Lyndon B. Johnson 1964 vorgenommen hat. Diese Aktion bedeutete den Durchbruch des Schutz- und Erkennungszeichens – hierfür hatte sich in Frankreich bereits in den frühen 1930ern eine Bewegung stark gemacht. 1969 schließlich machten die Vereinten Nationen den 15. Oktober zum Internationalen Tag des weißen Stockes.

Mobilitätstraining entwickelte sich weiter

Für blinde Menschen bedeutete der weiße Stock mehr Sicherheit im Straßenverkehr. Zum einen wurde mit der Anerkennung des Hilfsmittels sichergestellt, dass die Betroffenen von anderen Verkehrsteilnehmern als blind erkannt wurden, zum anderen bot die Erfindung des sog. Langstocks mehr Schutz, und das Orientierungs- und Mobilitätstraining entwickelte sich in den letzten 50 Jahren immer weiter. Eine Pendeltechnik stellt sicher, dass der Stock im wahrsten Sinne des Wortes immer einen Schritt voraus ist. Er warnt somit vor Stufen, Zäunen und parkenden Autos, hilft beim Auffinden von Zugtüren, Briefkästen oder Ampelpfosten.

Mobilitätstraining umfasst aber noch viel mehr. Auch die Orientierung über ein evtl. noch vorhandenes Sehvermögen, über das Gehör, den Tast- und manchmal auch den Geruchssinn werden unter professioneller Leitung geübt.

Apps bringen mehr Eigenständigkeit

Eine zunehmend große Bedeutung erfahren in den letzten Jahren auch Navigationsgeräte und Smartphone-Apps. Apps wie Ariadne-GPS bieten Pläne der Umgebung an, die mit dem Finger am Smartphone oder Tablet erkundet werden können. Blindsquare sagt Kreuzungen an und führt den Nutzer via akustischer Sprachausgabe zum nächsten Café, zur Bankfiliale oder zur Arztpraxis. Auch für die Navigation innerhalb von Gebäuden wird Blindsquare inzwischen eingesetzt.

Apps können den weißen Stock aber nicht ersetzen. Vielmehr sind sie eine Ergänzung. Bisher können Apps nicht vor jeder Bodenunebenheit warnen. Die Navigation ist in der Regel bisher nur auf wenige Meter genau, nicht aber auf Zentimeter. Apps können aufgrund leerer Akkus oder Empfangsschwierigkeiten ausfallen. Blinde Menschen sind weiterhin darauf angewiesen, dass Auto- und Radfahrer und andere Fußgänger Rücksicht nehmen. Der Stock – oder alternativ das weiße Führhundgeschirr – ist als sichtbares Zeichen unabdingbar. Der technische Fortschritt in Form von Apps bringt ein enormes Plus an Unabhängigkeit und Eigenständigkeit. Der weiße Stock wird aber auch die nächsten 50 Jahre zentral bleiben für eine sichere Orientierung blinder Menschen.

 

Linktipps:

Historischer Rückblick: Zur Geschichte des weißen Stockes

App-Überblick: Navigation für Blinde

Mobile Innovationen. Interview mit Matthias Lindemann zum Thema: „Technologieentwicklung und digitale Kommunikation“ beim Zukunftskongress „Inklusion 2025“

Schulbesuche mit dem Blindenführhund. Mirien Carvalho Rodrigues über die Unbefangenheit bei ihren Begegnungen mit Kindern

Zu früh. Heiko Kunert über eine unverhoffte Begegnung mit einem Mann, der wirklich alles über Blinde weiß – oder das zumindest denkt

Eine blinde Frau mit Führhund und weißem Langstock

(Heiko Kunert)


Zwei Postmänner auf Inklusionstour – Das Kennenlernen

$
0
0

Frank Geier und Michael Wahl unterhalten sich lachend beim Kaffeetrinken

Michael Wahl ist blind und wird Paketzusteller Frank Geier einen Tag lang auf seiner Route durch Bonn begleiten. Die Glücksboten-Tour der Aktion Mensch und der Deutschen Post soll inklusive Begegnungen schaffen. Die beiden Teilnehmer haben sich vorab kennengelernt. Wie das war, erzählen sie hier.Frank Geier
Glücksbote und Paketzusteller

Ich hatte heute einen ungewöhnlichen Arbeitstag. Die Aktion Mensch hatte bei unserem Postbezirk angefragt, ob wir uns vorstellen könnten, gemeinsam mit Menschen mit Behinderungen auf einer Glücksboten-Tour die Post auszutragen – mit im Gepäck ein Glücks-Los der Aktion Mensch als Geschenk. Warum eigentlich nicht, dachte ich mir. Viele Haustüren sind einigermaßen gut mit dem Rollstuhl zu erreichen. Doch dann erfuhr ich, dass mein Partner für unser Briefträger-Tandem blind ist. Wie sollte das gehen? Das konnte ich mir nur schwer vorstellen.

Das gemeinsame Gehen klappte erstaunlich gut

Ich war sehr gespannt, als Michael für ein erstes Kennenlernen bei uns in der Verteilerzentrale Bonn-Beuel vorbeikam. Auf dem Flur hörte ich zuerst das regelmäßige Schleifen des Blindenstocks auf dem Boden. Seine Begleitung stellte uns einander vor, und wir gaben uns ohne viel suchen zu müssen die Hand. Später beim Rundgang durch die Filiale merkte ich, wie sicher Michael zu Fuß ist. Viele Dinge, die ich sah, fasste er mit den Händen an. Auch das gemeinsame Gehen klappte erstaunlich gut. Michael hielt sich einfach an meinem Oberarm fest. Die Glücksboten-Tour kann kommen, dachte ich.

Mit den Leuten an der Haustüre austauschen

Meinen Bezirk kenne ich in- und auswendig: Die Straßen, die Häuser und auch die Leute. Diesen wollen wir auf unserer Glücksboten-Tour am 2. November das alltägliche Leben von Menschen mit Behinderungen näher bringen. Wir wollen mit den Leuten ins Gespräch kommen, uns austauschen. Und dieses Mal wird auch Michael dabei sein, der sozusagen einen ganz anderen Blick auf die Welt hat.

Michael Wahl
Glücksbote und Tagespraktikant

Meine Finger gleiten durch einen metallischen Strebenwald. Hier liegt die Post einiger Bonner. „Jede Hausnummer hat ihr eigenes Fach, deshalb sind sie unterschiedlich breit“, erklärt Frank Geier. Tatsächlich, einige der Fächer sind breit – großes Mehrfamilienhaus, dann schmal – kleines Einfamilienhaus. Beim Spaziergang mit dem Zeigefinger bauen sich vor meinem inneren Auge Straßensilhouetten auf.

Unser Tandem wird sicherer

Frank und ich stehen im Verteilerzentrum der Deutschen Post in Bonn-Beuel. Alle Briefe und Pakete sind perfekt sortiert, damit sie das richtige Ziel erreichen. Einen Tag lang wird das unser gemeinsamer Job sein: Für Frank als Briefträger Alltag, für mich als blinder Tagespraktikant ganz neu. Doch auch Frank macht sich Gedanken. „Wenn du nichts siehst, wie bekomme ich dich dann aus dem Auto raus?“, fragt er mich grübelnd. „Kein Problem, ich bin gut zu Fuß“, beruhige ich ihn. Dann führt er mich weiter durch sein Reich der Pakete, und mit jedem Schritt wird unser Tandem sicherer.

Ein Job mit persönlichen Begegnungen

Bei unserem Rundgang überlege ich, wer da eigentlich unsere Post bringt. Der Briefträger kennt seinen Kiez und die Leute – ein Job mit vielen persönlichen Begegnungen. Genau um diese Begegnungen geht es uns: Zwei Postmänner, einer sehend, einer blind, die als Glücksboten im Auftrag der Aktion Mensch und der Deutschen Post ein bisschen inklusive Begegnung austragen und den Menschen mit einem Glücks-Los ein Lächeln ins Gesicht zaubern.

Den Weg zusammen gehen

Und schon das heutige Kennenlernen hat sich gelohnt. Diese erste Begegnung war sehr spannend. Frank hat sich genauso viel Gedanken um meine Behinderung gemacht, wie ich mir um die Post. So viele Briefe für ihn, so viele Barrieren für mich. Aber beides geht seinen Weg und diesen Weg werden wir nächste Woche ein Stück zusammen gehen.

 

Die Glücksboten-Tour der Aktion Mensch und der Deutschen Post am 2. November

Einen Tag lang liefern insgesamt zehn inklusive Paketboten-Tandems mit einem Zusteller mit Behinderung und einem Zusteller ohne Behinderung in fünf Zustellgebieten bundesweit die Post aus. Gemeinsam klingeln sie in Bayreuth, Bonn, Neunkirchen-Seelscheid, Wabern und Winsen an den Haustüren der Postkunden und bringen nicht nur die Pakete und Briefe, sondern auch eine „Glücksüberraschung“: ein Glücks-Los der Aktion Mensch.

 

Die Glücksboten-Tour auf unseren Social-Media-Kanälen mitverfolgen:

Hier twittern wir live von der Glücksboten-Tour

Auf Facebook bei der Glücksboten-Tour dabei sein

Alles über die Glücksboten-Tour bei Google+

Ein Video von der Glücksboten-Tour läuft ab dem 6. November auf YouTube

Michael Wahl und Frank Geier im Verteilerzentrum bei den SortierfächernFrank Geier und Michael Wahl im Verteilerzentrum mit einer gelben Postbox

(Redaktion )

Auf zum Abenteuerspielplatz!

$
0
0

Leon und Marie klettern lachend über eine Holzleiter ins Schafgehege

Einmal in der Woche spielen Schüler und ehemalige Schüler eines Düsseldorfer Gymnasiums mit Kindern mit geistiger Behinderung auf einem Abenteuerspielplatz. Die Idee entstand während der Special Olympics.

Der Abenteuerspielplatz in Düsseldorf-Oberkassel ist ein kleines Paradies für Kinder: Es gibt Tiere, Schaukeln, Basketballkörbe, einen Baubereich, einen Floßteich und alte Fahrzeuge. Leider regnet es heute im Paradies. Trotzdem sind sie da: die Kinder Marie, Nadia und Nici und die Jugendlichen, die in den nächsten anderthalb Stunden mit ihnen spielen werden: Leon, Nicole, Zoé und Albert. Zumindest die Gesichter der Kinder verraten, dass ihnen das schlechte Wetter nichts ausmacht.

Die Großen sind für die Kleinen da

Jeden Dienstag treffen sich auf dem Abenteuerspielplatz Schüler und ehemalige Schüler des nahegelegenen Comenius-Gymnasiums zwischen 16 und 19 Jahren und Kinder mit geistiger Behinderung zwischen elf und 16 Jahren, von denen ein Teil die Franz-Marc-Förderschule besucht. Auch eine Mitarbeiterin der Lebenshilfe und eine Sozialpädagogin des Comenius-Gymnasiums sind dabei. Die Großen, also die Jugendlichen vom Comenius, betreuen die Kleinen, könnte man das Projekt zusammenfassen.

„Die Idee entstand, als in unserer Schule im vergangenen Jahr die Basketballspiele der Special Olympics ausgetragen wurden“, erklärt Leon. „Es hat uns viel Spaß gemacht, die Kinder mit Behinderung zu betreuen, und darum wollten wir das in irgendeiner Form fortsetzen.“ So entstand das Spielplatz-Projekt, das es seit April gibt.

Drinnen warten die Katzen

Heute zwingt der Regen die Gruppe, auch drinnen zu spielen. Das kommt Marie und Nadia ganz recht, denn im Haus des Abenteuerspielplatzes gibt es einen Raum, der etwas Besonderes birgt: junge Katzen, die noch drinnen bleiben müssen, um sich an ihre neue Umgebung zu gewöhnen. Eine Mitarbeiterin lässt Zoé, Marie und Nadia zu ihnen. „Ich hätte gerne einen Hund“, verkündet die elfjährige Marie, während sie die Katzen lockt. „Aber meine Mutter will das nicht. Und eine Katze auch nicht.“

Gut, dass Marie auf dem Spielplatz auch mit Schafen, Ziegen und Meerschweinchen spielen und sie streicheln kann. Dass man über eine Holzleiter ins Schafgehege klettern muss, stört sie nicht.

„Als wäre ich selbst noch mal Kind“

Nadia schaukelt. Nicht sehr hoch, nur sacht auf und ab, aber sie strahlt, als hätte ihr jemand ein wunderschönes Geschenk gemacht. Neben ihr schaukelt Leon. Nici, heute der einzige Junge, spielt derweil Billard mit Albert. Noch ist die Truppe klein, sodass häufig mehr als eine Eins-zu-Eins-Betreuung möglich ist. Acht Comenius-Schüler und ehemalige Schüler machen mit, während manchmal nur vier Kinder kommen. Die Motivation der Betreuer mindert das nicht. „Ich liebe es, mit den Kindern zu spielen“, sagt Albert (17). „Sie sind so voller Energie, und ich fühle mich, als wäre ich selbst noch mal Kind.“

Das Projekt steckt noch in den Anfängen. Es können gerne noch mehr Kinder mit geistiger Behinderung kommen. Beim ersten Mal sollten die Eltern Zeit mitbringen, um gegebenenfalls dazubleiben. Wer mehr erfahren möchte, ruft beim Abenteuerspielplatz an, Tel. 0211 574871, oder bei Ulrike Steinborn, Sozialpädagogin am Comenius-Gymnasium, Tel. 0211 8923721.

 

Abenteuerspielplatz Oberkassel

Brüggener Weg 8, 40547 Düsseldorf

Treffen: dienstags, 17–18.30 Uhr

 

Linktipps:

Alle Infos rund um den Abenteuerspielplatz Oberkassel

Das Comenius-Gymnasium stellt sich vor

Mehr über die Franz-Marc-Förderschule

„Es gehört sich einfach, dass Inklusion normal ist“. Werner Grosch über den inklusiven Kölner Kinderkultursommer

Momo im Hinterhof. Gundel Köbke über ein integratives Tanztheater für Kinder

Skateboarden inklusiv! Eva Keller über einen inklusiven Skateboard-Workshop in Frankfurt

Ein großes Schild mit dem Lageplan des AbenteuerspielplatzesNicole und Nadia auf einer SchaukelZoé, Marie und Nadia füttern eine schwarze Katze

(Ute Stephanie Mansion)

Zwei Postmänner auf Inklusionstour – Unterwegs

$
0
0

Frank und Michael übergeben Päckchen und Glücks-Los an eine lachende Postkundin

Michael Wahl ist blind und hat Paketzusteller Frank Geier auf der Glücksboten-Tour der Aktion Mensch und der Deutschen Post begleitet. Gemeinsam haben sie inklusive Begegnungen geschaffen und jedem Paketempfänger ein bisschen Glück nach Hause gebracht. Wie erzählen sie hier.Frank Geier
Glücksbote und Paketzusteller

Heute wollte ich mir für meine Route viel Zeit nehmen. Denn ich war mit Michael unterwegs und wir hatten neben dem Zustellen von Paketen noch den zusätzlichen Auftrag, den Empfängern Glücks-Lose zu überreichen. Außerdem rede ich sehr gerne mit meinen Kunden, und heute hatten wir ja auch noch hundert Themen mehr im Gepäck!

Ohne Probleme auf Tour

Wir fahren los und ich bin ein wenig aufgeregt, wie das gleich mit dem Führen klappt. „Ich bin eigentlich nicht sehr nervös“, hat Michael vorhin gesagt, „nach ein, zwei Kaffee geht das alles.“ Und tatsächlich – wir kommen ohne Probleme zu jedem Haus. Mit den Leuten kommen wir gut ins Gespräch. Die meisten sehen gar nicht so überrascht aus, wenn wir zu zweit vor der Tür stehen. Wir wechseln uns ab. Manchmal übergebe ich das Paket, manchmal Michael. Außerdem haben wir mit dem Glücks-Los immer noch ein gern gesehenes Geschenk dabei.

Tour mit verbundenen Augen

Am Anfang der Tour erkläre ich Michael noch ziemlich viel. Wie der Scanner funktioniert, warum es auf den Paketen immer zwei Codes gibt oder auch, dass man mit mehr Erfahrung immer schneller im eigenen Bezirk wird, weil man die Leute und die Umgebung irgendwann gut kennt. Ich überlege, ob ich meine Tour mit verbundenen Augen machen könnte? Ich glaube nicht. „Stimmt, ich als Blinder könnte die Tour nicht machen. Aber es gibt ja Menschen mit anderen Handicaps, die sicherlich viel Freude an deinem Job haben würden“, überlegt Michael.

Unverkrampfte Begegnung

Die Tour heute war ein besonderes Erlebnis für mich. Nicht nur, dass wir vielen Menschen aus meinem Bezirk eine sehr spontane und unverkrampfte Begegnung mit einem blinden Menschen ermöglichen konnten. Auch für mich persönlich war die Begegnung sehr lehrreich und hat mir einfach Spaß gemacht.

Michael Wahl
Glücksbote und Tagespraktikant

Heute ging es auf die Straße. Dabei war für mich nicht nur der Job als Zusteller eine Premiere, sondern auch die Fahrt in einem Elektrofahrzeug. Franks Postauto fährt mit Strom. Das wäre für viele sicherlich von keiner großen Bedeutung. Ich aber kann die Landschaft draußen nicht an mir vorbeiziehen sehen und höre auf meine Umgebung. Und in Franks E-Auto war es fast absolut still – ein bisschen war das wie Schweben.

Ein Gruß an jeder Ecke

Der Tag draußen ist ungewöhnlich sonnig und hell für November, sogar noch einige Vögel sind zu hören. Frank hat nicht zu viel versprochen: An fast jeder Ecke grüßt er Leute, kurbelt das Fenster runter und unterhält sich kurz. Mit den Leuten an der Haustür wird es sicherlich leicht ins Gespräch zu kommen.

Zeit für Glück

Dann halten wir an der ersten Lieferadresse. Ein kurzes Klingeln und die Tür öffnet sich. „Die Post“, sagt Frank – „und ein Praktikant“, ergänze ich. Frank übergibt der Frau ihr Paket und erklärt, warum ich ihn begleite. „Das ist eine gute Idee“, meint die Herrin des Hauses, „ich finde es gut, wenn Menschen mit und ohne Behinderungen mehr Kontakt haben.“ Ich höre, wie Frank das digitale Scangerät für die Unterschrift einpackt. Es wird Zeit für ein bisschen Glück. Ich übergebe ihr den Umschlag. Dabei fällt mir das Glücks-Los, das ich als Glücksbote der Aktion Mensch heute für alle Paketempfänger dabei habe, fast auf den Boden. Dann aber finde ich ihre Hand.

Unbefangenes Gespräch

Vor allem die guten Gespräche haben den Tag heute so interessant und auch erfolgreich für mich gemacht. Wir haben viel erfahren: zum Beispiel, dass ein Kunde gerade ein Spielzeug für Kinder mit Behinderungen entwickelt und wir ihm das passende Werkzeug geliefert haben. Ich hoffe, dass die Menschen auch einen kurzen Blick in meine Welt werfen konnten und beim nächsten Zusammentreffen mit einem blinden Menschen ein wenig unbefangener ins Gespräch kommen.

Linktipps:

Zwei Postmänner auf Inklusionstour – Das Kennenlernen. Die Glücksboten Frank und Michael über ihre erste Begegnung

Mehr Infos über die Glücksboten-Tour von Deutsche Post und Aktion Mensch

(Redaktion )

„Und, bitte!“ – Vom Kinderzimmer ins TV-Programm

$
0
0

Ninia Binias breitet vor einem geöffneten Kleiderschrank lachend die Arme aus

Schon als Kind hat Ninia Binias, alias Ninia LaGrande, mit ihrem Kassettenrekorder eigene Radio-Sendungen produziert – heute moderiert die Autorin und Poetry-Slammerin zwei TV-Magazine.

Als ich vier Jahre alt war, bekam ich einen Kassettenrekorder geschenkt. Statt nur Kassetten zu hören, fand ich es aber interessanter, meine eigenen Radio-Sendungen aufzuzeichnen. Ich quatschte die Kassetten voll, erfand Interviewpartner, die ich dann mit verstellter Stimme selbst sprach, und spielte dazwischen ein paar Lieder. Einige Jahre später stand ich wahlweise unter der Dusche oder mit Haarbürste in der Hand in meinem Zimmer und moderierte sämtliche Preisverleihungen für mein unsichtbares Publikum. Mein Vater sagte mal zu mir: „Mir war klar, dass das mit dir nicht auf einen vernünftigen Ausbildungsberuf hinausläuft.“ Und er sollte Recht behalten.

Loch in den Bauch gefreut

Ich moderiere seit vielen Jahren auf Theater- und Poetry-Slam-Bühnen. Aber Gastgeberin für das eigene Magazin im Fernsehen zu sein, ist nochmal eine ganz andere Nummer. Als ich die Zusage für „Ninias Fashion Mag“ und „Ninias Style der Woche“ erhielt, habe ich mir ein Loch in den Bauch gefreut. 17 Drehtage, plus drei Tage im Tonstudio – so sah der Plan aus. In Berlin und Hamburg habe ich Menschen besucht, die in der Modebranche arbeiten, und mit einem tollen Team alle Anmoderationen und Vorspänne gedreht. In Köln hatte ich mein eigenes Studio, inklusive Schaufensterpuppen, Blümchen und antiken Holzanzieh-Püppchen – alles, was man als Style-Expertin so braucht.

Bis eine Einstellung im Kasten ist, dauert es übrigens ein bisschen. Das Licht muss für jede Szene neu eingerichtet werden, die Kamera ebenso. Dann kann die Moderatorin den Text nicht immer ohne Verhaspeln vortragen (*hüstel*) und jede Moderation wird aus verschiedenen Blickwinkeln mehrmals aufgenommen, damit im Anschluss alles schön zusammengeschnitten werden kann. Ich musste also mehrmals fröhlich lächelnd auf die Kamera zulaufen oder meinen Gast gleich fünfmal hintereinander so begrüßen, als hätten wir uns noch nie gesehen. Das ist lustig und anstrengend zugleich. Für die Abendstunden hatten wir ein Mantra, wenn alle ein bisschen müde waren: „Inneres Lächeln, Ninia!“, rief Laura, Produktionsvolontärin, dann immer und zwinkerte.

Inklusion im Fernsehen ist möglich

Meine Körpergröße war von Anfang an kein Problem für irgendwen. Es wurde nicht einmal thematisiert, ob sie ein Problem sein könnte. Das fand ich sehr angenehm. Ich hatte eine kleine Kiste, auf der ich ab und an stand, wenn ein Gast im Studio wesentlich größer war als ich. Aber diese Kiste war eben einfach da – sie wurde nicht begründet. Das ist für mich der Beweis, dass Inklusion im Fernsehen – auch im Privatfernsehen – möglich ist. Unsere Zuschauerinnen und Zuschauer haben sich ebenfalls nicht daran „gestört“, im Gegenteil, ich habe viel positives Feedback bekommen.

Ich wollte ein Magazin moderieren, das cool, bunt und divers ist, ohne ständig betonen zu müssen, wie außergewöhnlich diese Diversität in der deutschen Fernsehlandschaft ist. Einfach so tun, als sei es das Normalste von der Welt, dass eine Kleinwüchsige eine Sendung über Mode moderiert. Und spätestens seit der ersten Ausstrahlung ist es das ja auch.

Die neue Staffel von „Ninias Fashion Mag“ startet am 21.11.2015 um 09:15 Uhr auf RTL

Shopping mit Ninia LaGrande

Sehen Sie auch das Video zu diesem Beitrag

Linktipps:

Nachhaltigkeit, Mode, Persönlichkeit. Ninia LaGrande im Gespräch mit leidmedien.de

Nach Maß. MENSCHEN. das magazin über Projekte, die Mode (nicht nur) für Menschen mit Behinderung optimieren wollen

Rollstuhlgerechte Mode – eine Entdeckungsreise. Marie Gronwald über zeitgemäße und vor allem erschwingliche Mode für Menschen im Rollstuhl

Inklusion und Mode: Mehr Mut bitte. Anastasia Umrik über die Berliner Fashion Week und Inklusion in der Modewelt

(Ninia Binias)

Engagierte Diskussion über ABA

$
0
0

Die Teilnehmer und der Moderator der Podiumsdiskussion sitzen in einer Reihe an Tischen.

Ist ABA„Umerziehung“ oder „Vermittlung lebenspraktischer Kompetenzen“? In den letzten Wochen entwickelte sich in den sozialen Netzwerken eine kontroverse Diskussion über Therapieangebote für Kinder mit frühkindlichem Autismus, die sich an ABA (Applied Behaviour Analysis) orientieren.

Dabei handelt es sich um ein Förderprogramm, das auf der Analyse des Verhaltens aufbaut und Eltern stark in die Therapie miteinbezieht. Die Kritik der ABA-Gegner richtete sich auch an die Aktion Mensch, die ein ABA-basiertes Projekt, das „Bremer Elterntraining“ (BET), fördert.

Uns ist sehr an einer Versachlichung der Diskussion und einem offenen Austausch der Positionen gelegen. Daher haben wir am gestrigen Donnerstag die Vertreter der unterschiedlichen Ansätze – Menschen mit Autismus, Therapeuten, Eltern, Mediziner und Wissenschaftler – zur Aktion Mensch eingeladen, um über Pro und Contra von ABA zu sprechen. Unser Ziel war, mit einem Fachgespräch eine Plattform für die direkte Kommunikation zu bieten – anstatt in Netzwerken und Blogs unter sich zu bleiben.

Wir haben ein engagiertes und differenziertes Gespräch erlebt, in dem Argumente ausgetauscht und Bedenken formuliert wurden. Vorstand Armin v. Buttlar formulierte als erstes Fazit: „Es ist positiv, dass wir miteinander und nicht übereinander geredet haben. Wir haben gesehen, dass es weniger Schwarz und Weiß gibt, sondern viele Grautöne.“

Die drei Experten auf dem Podium haben im Anschluss an die Veranstaltung ihre Position kurz zusammengefasst und ihre Einschätzung des Gesprächsergebnisses formuliert. Eine tatsächliche Annäherung der Positionen hat nicht stattgefunden, aber man hat sich gegenseitig zugehört und vielleicht den Anstoß für eine weitergehende Auseinandersetzung mitgenommen.

Wolfgang Rickert-Bolg, Diplom-Psychologe und Psychotherapeut, Leiter des Autismus-Therapiezentrums Osnabrück, und Mitglied der Fachgruppe Therapie von autismus Deutschland e.V.:

„Für mich ist ABA nicht menschenrechtswidrig und kann bei Kindern mit starker Ausprägung der Störung sehr hilfreich sein. Aber ich habe auch Kritik und erlebe, dass die Eigenständigkeit der Betroffenen in der Praxis oft zu wenig beachtet wird. Die Grundregeln von Therapie sollten immer ein partizipativ sein: So viel äußere Struktur wie nötig, so viel Selbstbestimmung wie möglich. Es ist unverzichtbar, die Eltern bei der Verarbeitung der Behinderung ihres Kindes zu begleiten.

Die Kritik der Betroffenen, die Herr Knauerhase eingebracht hat, ist für mich insofern nachvollziehbar, als in der Praxis immer wieder eine einseitige Anpassung an die Regeln der Gesellschaft betrieben wurde und wird. Autistisches Verhalten ist eine Anpassungsleistung, deren Sinn verstanden werden muss, um dann wo nötig mit dem Betroffenen produktivere Strategien zu entwickeln. Die einseitige Anpassung der Gesellschaft an die Vorstellungen der Betroffenen kann aber auch nicht die Lösung sein.

Mein Fazit ist zwiespältig: Ich fand es gut, dass die Aktion Mensch die Gelegenheit geschaffen hat, ins Gespräch zu kommen. Eine Annäherung habe ich aber nicht erlebt. Die Macht der Polarisierung war offenbar zu stark.“

Aleksander Knauerhase, Dozent zum Thema Autismus, Autist und Blogger:

ABA und daran angelehnte Therapieverfahren bedeuten für autistische Kinder eine andauernde Konditionierung, mindestens 20 Stunden pro Woche bis zur gesamten Wachphase des Kindes. Eltern kommen als 'Co-Therapeuten' zum Einsatz. Therapiert wird vor allem im Zuhause des autistischen Kindes. Das Kind verliert die Eltern als neutrale und sichere Bezugspersonen und gleichzeitig seinen sicheren Rückzugsort.

Diese Therapieformen beruhen auf dem Menschenbild, das Autisten defekt seien und ihr 'gelerntes autistisches Verhalten vergessen und ein neues Verhalten erlernen' sollten. Autisten sollen auf eine nicht-autistische Verhaltensweise umerzogen werden. Mögliche negative Auswirkungen auf die Psyche der Autisten werden nicht untersucht. Als Autist und Inklusionsbotschafter kann ich diese Umstände nicht gut heißen. Ich spreche mich daher gegen ABA aus.

Mein Fazit zur Veranstaltung: Der Zweck heiligt nicht die Mittel.“

Claus Lechmann, psychologischer Psychotherapeut und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut, Leiter des AutismusTherapieZentrums Köln, das eine eigene ABA-Abteilung hat, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von autismus Deutschland e.V.

„Fördermethoden für autistische Kinder, bei denen eine empirische Wirksamkeit nachgewiesen werden konnte, basieren fast ausschließlich auf verhaltenstherapeutischen bzw. ABA-Methoden.

Die Kritik am ABA-Ansatz kumuliert in dem Vorwurf, hier gehe es um eine Umerziehung ähnlich wie früher bei Linkshändern. Dieser Vergleich missachtet aus meiner Sicht die extreme Not von Kindern mit frühkindlichem Autismus. Diese Kinder sind in ihren sozial-kommunikativen Fähigkeiten meist so eingeschränkt, dass sie basalste menschliche Bedürfnisse nicht befriedigen können. Umso mehr sind sie und ihre Eltern auf wirksame Hilfe und Unterstützung angewiesen. Ein Vergleich zwischen Umerziehung bei Linkshändigkeit und systematischer Förderung nach ABA zum Aufbau wichtiger Fähigkeiten erscheint mir daher unpassend.

Jede Therapiemethode muss und soll es sich gefallen lassen, auf dem Prüfstand zu stehen. Gerade die Vielfältigkeit in der Art der Anwendung von ABA-Methoden verhindert aber eine pauschalisierte Beurteilung. Im Vergleich zu vielen anderen Ansätzen kümmert sich die ABA-Community aber um eine ständige Verbesserung, empirische Überprüfung und Anwendung ethischer Standards. Gerade die ethischen Standards sollten überall Anwendung finden, um insbesondere bzgl. der Ziel- und Umsetzung der Methoden das passende Maß zu halten.

Zur gestrigen Veranstaltung: Ich halte Kommunikation über ABA-basierte Therapien, wie sie hier stattgefunden hat, auf jeden Fall für wichtig.“

Dieser Blogbeitrag gibt die Positionen von Podiumsteilnehmern aus der Gesprächsrunde wieder. Hier im Blog kann weiter diskutiert werden.

(Redaktion )

Viewing all 790 articles
Browse latest View live