Quantcast
Channel: Aktion Mensch-Blog
Viewing all 790 articles
Browse latest View live

Zusammen durchs Studium

$
0
0

Eine Frau von hinten, ihr gegenüber sitzt ein Mann.

Stephan ist 25, ein kluger Kopf und studiert Bauingenieurwesen in Bremen. Dass er nach der Uni beste Chancen auf einen Job hat, ist dennoch alles andere als selbstverständlich – Schule, Berufsbildung und Uni machen es Menschen mit Autismus nicht immer leicht. Doch zusammen mit seiner Jobpatin Kristina räumt er eine Barriere nach der anderen aus dem Weg.

Alles begann mit einem Aufruf am Fachbereich Psychologie der Universität Bremen. Der Verein Autismus Bremen e.V. suchte studentische Paten, die Menschen mit Autismus bei der Berufsorientierung und Jobsuche unterstützen. Für Kristina kam das Angebot genau zur rechten Zeit: „Mir genügte die Theorie an der Uni nicht mehr – ich wollte möglichst schnell rein in die Praxis. Und das geht am besten über persönliche Begegnungen.“ So lernte sie Stephan kennen, inzwischen im 9. Semester Bauingenieurwesen und mit besonderem Faible für alles, was mit Verkehr zu tun hat. 

„Es hat sich so etwas wie eine kleine Freundschaft entwickelt.“

Seit inzwischen zwei Jahren wälzen sie zusammen Vorlesungsverzeichnisse, checken Prüfungstermine, stellen Wochenpläne auf und überlegen gemeinsam, welches Pensum passt. Manchmal gehen sie gemeinsam zu einer Sprechstunde und klären beispielsweise, ob Stephan eine Prüfung in einem Extra-Raum schreiben kann, in dem die anderen Studierenden nicht für Ablenkung sorgen. Doch es geht nicht nur ums Studium. Stephan erzählt: „Ich mache gerade meinen Führerschein, den ich als Bauingenieur benötige. Kristina hat mich zur Anmeldung in der Fahrschule begleitet und dem Fahrlehrer erklärt, was es mit Asperger auf sich hat.“ Kristinas besonderer Bonus: Sie kommt von außen, ist kein Familienmitglied, sondern eine Gleichaltrige, die sich in derselben Lebensphase befindet und so einen ganz anderen Zugang zu ihrem Mentee hat. Sie sagt: „Es hat sich so etwas wie eine kleine Freundschaft entwickelt.“

Weil es so nicht weitergehen konnte

Stephans Mutter, Gudrun Löser-Dee, merkte schon in der Schule, dass Menschen mit Asperger-Syndrom, einer leichten Form von Autismus, schnell durchs Raster fallen: „Ob Schule, Agentur für Arbeit oder Studium, immer wieder müssen Autisten Hürden überwinden, weil oft die Rahmenbedingungen ihren Bedürfnissen angepasst werden müssen.“ Bis zu 90 Prozent der Menschen mit Autismus sollen von Arbeitslosigkeit betroffen sein. Löser-Dee und weitere Eltern wollten sich nicht damit abfinden und setzten 2010 mit ihrem Verein Autismus Bremen e.V. das Projekt Jobpaten auf.

Der Verein übernimmt die Schulung der Paten und begleitet sie auch während ihres Engagements. So stehen immer zwei erfahrene Autismusexperten als Ansprechpartner zur Verfügung. Zusätzlich bieten die monatlichen Jobpatentreffen Gelegenheit zum Austausch. Neun Jobpaten sind derzeit in Bremen im Einsatz, weitere sind herzlich willkommen.

Kristina ist inzwischen mit der Uni fertig, arbeitet im Personalbereich und hat viel zu tun. Die Zeit, sich alle 2-3 Wochen mit Stephan zu treffen, nimmt sie sich trotzdem. Beziehungen müssen eben wachsen. Sich jetzt rauszuziehen, bevor Stephan das Studium abgeschlossen und einen Job gefunden hat, wäre schlechtes Timing.

 

Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch nach seinen individuellen Möglichkeiten selbstbestimmt leben und am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann. Dieses selbstverständliche Miteinander erreichen wir nur, wenn sich möglichst viele Menschen für eine inklusive Gesellschaft einsetzen und sie mitgestalten – zum Beispiel durch freiwilliges Engagement. Die Aktion Mensch bietet mit ihrer Freiwilligen-Datenbank einen Überblick über die zahlreichen Möglichkeiten: Menschen mit und ohne Behinderung können aus mehr als 13.000 Angeboten  das passende Engagement auswählen. 
 
Weitere Ideen für inklusives Engagement finden Sie in der Freiwilligen-Datenbank.

(Henrik Flor)


Kicken mit den Profis

$
0
0

Kinder und Jugendliche in Fußballtrikots haben die Köpfe zusammen und rufen ihren Motivationsspruch.

Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung waren am Wochenende bei den Fußballern der Eintracht Frankfurt zu Besuch. Bevor sie das Bundesliga-Spiel der Profis live erlebten, haben sie zusammen gekickt. Auch der 16-jährige Julius war bei der Veranstaltung von Aktion Mensch, der Bundesliga Stiftung und der Eintracht Frankfurt Fußballschule dabei.

Das war ein super Tag! Wir wurden unter anderem von ehemaligen Eintracht-Profis wie Erwin Skela, Manfred Binz und von Lars Wurst, Spieler der Deutschen Nationalmannschaft der Amputierten, trainiert. Zu Beginn haben wir alle ein Eintracht Frankfurt-Trikot bekommen. Dann ging das Training los. Wir waren 50 Jugendliche, Mädchen und Jungen, mit und ohne Behinderung und haben zwei Stunden lang das Beste gegeben. Die Trainer haben uns gezeigt, was wir gut machen und was wir anders und besser machen können. Laufen, dribbeln, Torschüsse, das komplette Trainingsprogramm. Alle waren dabei und haben gekämpft. Wir waren ganz schön fertig am Schluss. Besonders spannend war für mich der Blindenfußball mit Blindenfußballbundesliga-Spieler Marcel Heim. Mit verbundenen Augen zu spielen, den Ball anhand von Geräuschen zu verfolgen und dabei die Orientierung zu behalten, war extrem schwierig.

Da waren keine Unterschiede

Besonders begeistert hat mich, dass es im Trainingüberhaupt keine Rolle gespielt hat, wer welche Dinge gut oder nicht so gut geschafft hat. Wir alle haben von Anfang an versucht, das Beste zu geben. Wir hatten einen tollen Teamgeist, im Mannschaftsspiel haben sich alle gegenseitig unterstützt. Die Trainer waren da auch gnadenlos. Wer nicht vollen Einsatz gebracht hat, wurde entsprechend rangenommen. Dieses Training war für mich ein ganz besonderes Erlebnis. So von Bundesliga-Spielern trainiert zu werden, in der Schule eines Bundesliga-Vereins, das fühlt sich schon super an. Wie fühlt sich das wohl erst für Bundesliga-Spieler an, wenn sie Teil einer Profi-Mannschaft werden?

Charly Körbel hat uns eingeladen

Nach dem Training ging es ins Eintracht Museum. Charly Körbel, der Leiter des Jugendfußballclubs von Eintracht Frankfurt (ehemaliger Bundesliga-Spieler mit über 600 Einsätzen), hat uns dort zum Mittagessen eingeladen und über die Eintracht erzählt. Er war super nett und richtig cool. Seine Späße und Stories waren für uns alle total spannend. Im Museum wurde klar, welche Rolle Charly Körbel für Frankfurt gespielt hat. So viele Erfolge und Trophäen für den Verein, das hat mich umgehauen.

Zu essen gab es SpaghettiBolognese, richtig lecker, und vor dem Spiel haben wir noch alle einen Fan-Schal für das Spiel gegen Leverkusen bekommen. Obwohl ich ja eigentlich BVB-Fan bin, bei so viel Gastfreundschaft war für mich klar, heute ist Eintracht-Tag. Leider haben sie verloren!

Ich würde mir wünschen, dass möglichst viele Bundesliga-Vereine uns Jugendlichen, egal ob Mädchen oder Jungen, ob mit oder ohne Behinderung, häufiger die Chance gäben, solche Tage zu erleben, vielen Dank dafür.

Ein Blog-Beitrag von Julius v. Buttlar

 

Link-Tipps

Mehr zum Thema "Inklusion und Sport"

Inklusionsspieltag bei Werder Bremen

"Lernort Stadion" bei Borussia Dortmund

Infos zur Kooperation der Aktion Mensch mit der Bundesliga-Stiftung

Alle Teilnehmer, Trainer und Gäste bei der Fußballschule sind auf einem Gruppenbild und haben die Faust in die Höhe.Ein Junge mit Augenbinde schießt den Ball.Kinder sind beim Fußballtraining. Im Hintergrund ist Charly Körbel zu sehen.Ein Trainer mit einem Bein spielt mit Krücken Fußball. Kinder stehen um ihn herum und lernen von ihm.

(Redaktion )

Angler-Latein in Gebärdensprache

$
0
0

Drei Personen sitzen auf einem Steg und angeln.

Angeln in öffentlichen Gewässern darf man nur mit einer Erlaubnis. Wer den nötigen Fischereischein nicht besitzt – so wie viele Gehörlose – ist faktisch vom Fischefangen ausgeschlossen. Engagierte Angler in Nordfriesland wollen das ändern. Im September startet der nächste Lehrgang für Gehörlose in Gebärdensprache.

Die Initiative ging von einem gehörlosen Auszubildenden im Husumer Theodor-Schäfer-Berufsbildungswerk aus. Er wollte selbstständig angeln gehen und brauchte dafür den Fischereischein. Mit dem Pastor des Berufsbildungswerks hatte er schnell einen Verbündeten für sein Vorhaben gefunden. Der Pastor sprach Jürgen Töllner an, der ebenfalls im Werk arbeitete und Vorsitzender des Kreisanglerverband Nordfriesland e.V. ist. Auf dem kurzen Dienstweg organisierte Töllner die nötigen Gebärdensprachdolmetscher und sorgte dafür, dass die Kosten für die Dolmetscher aus dem Topf der Fischereiabgabe des Landes bezahlt wurden. Jürgen Töllner sieht sein Engagement norddeutsch-pragmatisch: „Gehörlose Angler konnten sonst nur in Begleitung eines Fischereischein-Inhabers angeln gehen. Das war für viele kein Dauerzustand. Und wir als Verband konnten helfen.“  

Wie heißt Brasse in Gebärdensprache?

Der erste Kurs lief 2011 mit einem knappen Dutzend Teilnehmern in Husum. Eine Dolmetscherin hatten sich zuvor in die Fachbegriffe eingearbeitet. In acht Unterrichtsblöcken ging es um Gewässerkunde, den richtigen Umgang mit dem Gerät, um rechtliche Aspekte und vieles mehr. Am Ende standen die Prüfung und die feierliche Übergabe des bestandenen Scheins.

Am 10. September 2015 beginnt der nächste Durchgang. John Hoxhaj hat sich bereits angemeldet. Der 20-Jährige ist Auszubildender im Bereich Technisches Produktdesign im Theodor-Schäfer-Berufsbildungswerk. Schon als Kind hat er sein Faible fürs Angeln entdeckt und war oft mit seinem Großvater unterwegs. Er erzählt: „Für mich ist alles am Angeln interessant, weil man sehr viel dabei lernen kann. Es wird nie langweilig.“ Warum er sich für den Kurs angemeldet hat? „Ich will nicht nur an Privatgewässern angeln dürfen, sondern überall. Das ist doch viel besser.“

Der Verband, der inklusiv denkt

Der Kreisanglerverband macht sich auch an anderer Stelle dafür stark, dass niemand vom Angeln ausgeschlossen ist. Jürgen Töllner berichtet: „Bislang haben wir sechs Rollstuhlplätze für Angler angelegt. Man kann mit dem Auto direkt ranfahren und seine Angel von einem befestigten Steg auswerfen.“ Für Vereine und Engagierte, die Rollstuhlplätze einrichten wollen, hat der Kreisanglerverband alle Infos – von baulichen Voraussetzungen bis hin zum Genehmigungsverfahren – auf einer CD zusammengestellt.

Für John Hoxhaj soll der Lehrgang erst der Anfang sein. Für ihn ist klar, dass er künftig mit anderen zusammen angeln möchte. Am besten in einem Verein. Sein Wunsch an die künftigen Vereinskameraden: „Es wäre schön, wenn sie sich ein wenig die Gebärdensprache aneignen könnten. Dann würden vielleicht auch mehr gehörlose Menschen in den Verein kommen. Dass wir ein wenig gleichgestellter wären, das wäre schön!“

Der Fischereischein-Lehrgang für Gehörlose findet vom 10.9.2015 bis zum 22.10.2015 in Husum statt. Die Anmeldung ist über die Internetseite des Kreisanglerverbands möglich. Das Prüfungszeugnis wird von anderen Bundesländern anerkannt.

Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch nach seinen individuellen Möglichkeiten selbstbestimmt leben und am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann. Dieses selbstverständliche Miteinander erreichen wir nur, wenn sich möglichst viele Menschen für eine inklusive Gesellschaft einsetzen und sie mitgestalten – zum Beispiel durch freiwilliges Engagement. Die Aktion Mensch bietet mit ihrer Freiwilligen-Datenbank einen Überblick über die zahlreichen Möglichkeiten: Menschen mit und ohne Behinderung können aus mehr als 13.000 Angeboten  das passende Engagement auswählen.


Weitere Ideen für inklusives Engagement finden Sie in der Freiwilligen-Datenbank.

(Henrik Flor)

Barrieren in den Köpfen

$
0
0

Dennis Winkens bei der Pressekonferenz zum Inklusionsbarometer der Aktion Mensch mit Sascha Decker, Armin von Buttlar, Bert Rürup und Klaus Gierse

Die Aktion Mensch hat das Inklusionsbarometer Arbeit in Berlin vorgestellt. Mit dabei war auch Online-Redakteur Dennis Winkens. Er sitzt im Rollstuhl und erzählt aus seiner ganz persönlichen Sicht, was beim Thema Arbeit möglich ist.

Seit dem 17. Lebensjahr bin ich ab dem Hals abwärts gelähmt. Das ist aber noch lange kein Grund, zu Hause zu bleiben – das kann ja jeder. Ich wollte die Barrieren in den Köpfen überwinden. Man ist viel weniger behindert, als man durch Vorurteile behindert wird. Deshalb war für mich immer klar: Ich arbeite. Ich bin als Online-Redakteur für eine Firma tätig, die Bewegungslösungen für Menschen mit Behinderungen entwickelt. Ich pflege die Homepage, schreibe Texte, erstelle Bilder, drehe Videos und bin in den Social-Media-Kanälen unterwegs.

Den Job will ich

In die Arbeitswelt eingestiegen bin ich mit einer Ausbildung zum Bürokaufmann. Trotz meiner Qualifikation hatte man mir bei der Arbeitsagentur zunächst einen Job in einer Werkstatt angeboten – das war für mich keine Option. Mit Mundmaus, Bildschirmtastatur und Spracherkennungssoftware erledigte ich meine Aufgaben am PC. Alles kein Problem, das kannte ich so schon von Zuhause. Nach meiner Ausbildung lernte ich die moso GmbH auf der Rehacare-Messe kennen. Sie suchten jemanden für die Homepage-Pflege. Den Job will ich, dachte ich. Obwohl ich bis dahin nur „Hobby“-Kenntnisse in dem Bereich hatte, lag ein paar Wochen später ein Arbeitsvertrag vor mir auf dem Tisch. Ich wurde gut eingearbeitet und bilde mich ständig weiter fort. Außerdem hat meine Behinderung einen Vorteil: Ich kann unsere Hilfsmittel testen und Feedback und Verbesserungen geben.

Persönliche Gespräche

Zu Beginn meiner Beschäftigung arbeitete ich aus dem Home-Office. Der Kontakt über E-Mails und Skype mit meinen Kollegen war okay, aber mir fehlte der direkte Austausch. Dann zog mein Arbeitgeber in einen barrierefreien Neubau. Damit begann für mich ein neuer Arbeitsalltag, nämlich vor Ort. Benötige ich heute Informationen oder habe eine Frage, fahre ich einfach zu dem jeweiligen Kollegen und spreche ihn an. Es spielt keine Rolle, wo dieser gerade ist, da ich mich komplett frei und selbstständig im Gebäude bewegen kann. Das ermöglichen mir Hilfsmittel wie automatische Türöffner oder mein iPad, mit dem ich selbstständig den Aufzug rufen kann.

Das große Los gezogen

Ich habe mit diesem Job das große Los gezogen. Ich kann kreativ arbeiten, habe viel Abwechslung, kann Hilfsmittel mit verbessern und dabei auch noch Mitmenschen helfen. Da kann ich meiner Meinung nach doch schon behaupten: „Es läuft… eehhhmmm rollt!“ Das ist bei mir alles „reine Kopfsache“.

Mein Beispiel zeigt, was möglich ist, wenn man statt auf mögliche Einschränkungen auf die Fähigkeiten eines Bewerbers schaut. Das unterstreicht auch das Inklusionsbarometer: Danach sehen 77 Prozent der befragten Unternehmen keine Leistungsunterschiede zwischen Menschen mit und ohne Behinderung.

 

Ein Blogbeitrag von Dennis Winkens

 

Linktipps:

Mehr Infos zum Inklusionsbarometer Arbeit 2015 der Aktion Mensch finden Sie hier

Hier können Sie das Inklusionsbarometer Arbeit 2015 direkt herunterladen (PDF-Dokument)

Mehr zum Thema Inklusion am Arbeitsplatz bei der Aktion Mensch

Die Arbeitswelt von morgen. Ulrich Steilen über das Thema „Arbeitsleben und Unternehmensentwicklung“ beim Zukunftskongress „Inklusion 2025“

Exzellent ausgebildet – exzellent arbeitslos. Marie Gronwald über ihre Jobsuche als Akademikerin mit besonderem Merkmal: Rollstuhlfahrerin

Der Fall – oder: Wenn man uns ließe! Anastasia Umrik über Hürden und Pauschalisierungen bei der Jobsuche

Dennis Winkens mit anderen Teilnehmern auf der Bühne der Posiumsdiskussion zur Inklusion in der ArbeitsweltDennis Winkens sitzt in seinem Büro vor zwei Computer-MonitorenDennis Winkens bei einer Besprechung mit zwei KollegenDennis Winkens im Gespräch mit einem KollegenDennis Winkens mit anderen Teilnehmern auf der Bühne der Posiumsdiskussion zur Inklusion in der Arbeitswelt

(Redaktion )

Mission #MapMyDay

$
0
0

Vier junge Menschen mit und ohne Behinderung halten Handy in die Höhe, halten den Daumen nach oben und lächeln in die Kamera

Ist dein Lieblingscafé barrierefrei? Sind vorm Eingang zum Friseursalon Stufen? Gibt es in der Bibliothek eine rollstuhlgerechte Toilette? Auf der Wheelmap kann jeder die Zugänglichkeit von öffentlichen Orten für Menschen im Rollstuhl bewerten. Am 3. Dezember, dem Tag der Menschen mit Behinderung, gab es mit #MapMyDay eine internationale Mapping-Aktion – und wir waren dabei!

Vier Kollegen, vier Smartphones, eine Mission: rollstuhlgerechte Orte in Bonn markieren. Die Agenten: Patrick, Isabell, Hanna und ich. Unsere Waffe: die App Wheelmap. Der Ort: Plittersdorf, ein kleiner Stadtteil im Süden Bonns. Hier ist noch nicht viel in der Wheelmap markiert und auf Barrierefreiheit getestet. Es ist an der Zeit, das zu ändern.

Wir nehmen den Bus. Der Status der Haltestelle auf der Wheelmap steht bereits auf Grün, das bedeutet: rollstuhlgerecht. Trotzdem ist es ziemlich schwierig mit zwei E-Rollstühlen in den Bus zu kommen, denn eine ältere Frau mit Rollator ist ebenfalls Fahrgast – und der Platz im Bus begrenzt. Wir spielen ein bisschen Tetris, schließlich passen alle rein und wir kommen unbeschadet in Plittersdorf an. Erste Herausforderung gemeistert.

Es gibt viel zu tun

Die Apotheke an der Ecke, der Herrenfriseur in der Gasse, der bunte Kunsthändler – all diese Orte sind noch nicht auf der Wheelmap verzeichnet. Uns wird schnell klar: Es gibt hier viel zu tun. Wir fangen bei einem Getränkemarkt an. Es ist der erste grüne Status, den wir vergeben können. Nicht verwunderlich: Wer möchte schon Limo-Kisten die Treppe hochschleppen? Das war also eine Aufwärmübung. Dann nehmen wir uns Fischhändler, Apotheken und Fahrradläden vor. Viele müssen wir mit orange (so mittel) oder rot (nicht rollstuhlgerecht) kennzeichnen, denn bei den vielen alten Gebäuden sind häufig Stufen vorm Eingang und an eine Rampe haben viele Geschäftsinhaber nicht gedacht. Ein Inhaber eines Friseursalons mit zwei Stufen vor der Tür zuckt nur mit der Schulter, als wir ihn nach einer Rampe fragen: „Ach, die kleinen Stufen“. Er weiß offensichtlich nicht, wie schwer Elektrorollstühle sein können. Leider. Wir vergeben den Status Rot.

Doch vereinzelt gibt es auch positive Überraschungen: Wir finden einen Barbier mit ebenerdigem Hintereingang und ein kleines Café mit mobiler Rampe – allerdings fehlen Hinweise darauf am Eingang. Wir geben den Ladenbesitzern den Tipp und ziehen weiter.

Action und kleine Gefahren beim Mappen

Je näher wir dem Zentrum Plittersdorfs kommen, umso schmaler werden die Bürgersteige. Würden wir diese bewerten können, wäre höchstens ein orangefarbener Status drin. Höchstens, denn wir haben noch einen kleinen Zwischenfall: Isabell rutscht mit ihrem E-Rollstuhl ab und steht nur noch halb auf dem Bürgersteig. Einfach schieben geht nicht, der Rollstuhl wiegt 180 Kilo. Einfach weiterfahren geht auch nicht, dann würde sie umkippen. Also ist es Zeit für unseren ersten Action-Einsatz. Wir drücken uns gegen Isabell, damit sie nicht rausfällt, während sie ihren Rollstuhl langsam über die Kante vom Bordstein runter bugsiert – mit Erfolg und ohne Verletzte. 

Nach zwei Stunden beschließen wir unseren Einsatz für heute zu beenden. Wir haben rund zehn neue Orte auf der Wheelmap angelegt und rund 15 als grün, orange oder rot eingestuft. Wir hoffen, dass diese Infos den Rollstuhlfahrern, die Plittersdorf einmal besuchen möchten, helfen. Dann wäre unsere Mission erfolgreich gewesen.

 

Linktipps:

Ein Mädchen im Rollstuhl auf der Kante des Bordsteins.Vier Menschen mit und ohne Behinderung genießen die Sonne.

(Katharina Hovestädt)

Mein Tag am TV-Set

$
0
0

Kim und ihre "Fernseh-Familie" machen ein Selfie am TV-Set

Da saß ich nun in meinem Rollstuhl… Inmitten von einer für mich riesengroßen Filmcrew mit einer komplett gecasteten Schauspielfamilie. Während die Stylistin an mir herumzupft und der Ton-Mann an meinem Pulli werkelt, gibt mir der Regisseur bereits Anweisungen – für meine allererste professionelle Werbeaufnahme.

Schon mal vorweg: Ich gebe es zu, das war ein besonderes Gefühl: Du spielst die Hauptrolle eines TV-Werbespots für die Weihnachtskampagne der Aktion Mensch. Du wirst von Profis schön gemacht und darüber hinaus versuchen die Menschen am Set, auf deine Wünsche einzugehen. Zweifelsohne, ich habe mich gut gefühlt!

Lampenfieber und Weihnachtsstimmung

Doch gleichzeitig hatte ich auch sehr viel Respekt und auch ein klein wenig Angst davor, nicht das abzuliefern, was sich die Film-Crew so vorstellt. Dieses Gefühl wurde noch bestärkt, als ich erfuhr, dass ich die einzige nicht professionelle Schauspielerin am Set war.

Wenn ich nun auf die Drehtage zurückblicke, denke ich an eine sehr schöne Zeit, die hauptsächlich durch die Begegnungen mit den verschiedensten Personen und Charakteren geprägt wurde. Ich hatte eigentlich die Vorstellung, dass die Werbebranche ziemlich oberflächlich sein würde. Das Gegenteil war der Fall. Ich habe die Branche als sehr persönlich und offen im Miteinander kennengelernt. Dadurch fiel es mir erheblich leichter, vor solch einem großen Team vor der Kamera zu stehen. Und die Weihnachtsstimmung am Set mitten im Oktober hat sicher auch noch ihr Übriges dazu getan :-)

Eine besondere Erfahrung

Ich habe gemerkt, dass für ein gutes Ergebnis nicht nur die Stimmung am Set wichtig ist. Auch die Energien zwischen den Schauspielern spielt hierfür eine große Rolle. Zu Beginn war es ein wenig befremdlich, am Set eine komplette Schauspielfamilie vorzufinden. Aber ich glaube, ich kann für meine „Mutter“, mein „Vater“ sowie „Oma“ und „Opa“ sprechen, wenn ich sage: Wir hatten eine Menge Spaß zusammen!

Für mich als behinderter Mensch blieb aber vor allem ein Punkt besonders positiv in Erinnerung: Ich hatte das Gefühl, dass ich während der gemeinsamen Drehtage nicht als die junge Frau im Rollstuhl wahrgenommen wurde, sondern einfach als Kim. Meine Behinderung wurde nicht groß thematisiert und stand nicht im Vordergrund. Und genau das gab mir ein gutes Gefühl, Stolz und die Freude, ein Teil dieses Projekts zu sein. Jetzt freue ich mich auf den Moment, das Ergebnis das erste Mal im Fernsehen zu sehen!

Das "Making of" des Weihnachts-Werbespots

Sehen Sie auch das Video zu diesem Beitrag

Linktipps:

Weihnachten ganz persönlich: Der TV-Spot mit Kim (barrierefrei)

Noch ein Spot mit Kim: Das (fast) perfekte Weihnachts-Selfie (barrierefrei)

Du suchst noch das perfekte Weihnachtsgeschenk? Gestalte dein persönliches Geschenk-Los auf www.weihnachten.de

Die Schauspiel-Kollegen von Kim machen ein Selfie auf dem Sofa des DrehortesKim und ihre "TV-Oma" halten lachend ein Aktion Mensch-Jahreslos in die KameraKim mit "Film-Oma" und "-Mutter" vor einem geschmückten Weihnachtsbaum am Drehort

(Kim Elena do Calvário Moqenco )

Frohe Weihnachten!

$
0
0
Wir wünschen euch mit unserem Video wunderschöne Weihnachtstage. Viele haben bei unserem kleinen Film mitgemacht. Schaut es euch an!

Es haben uns zahlreiche süße, witzige und tolle Weihnachtsgrüße erreicht. Ob Mitarbeiter, Facebook-Fans, Hunde, Kinder, Freunde oder einige Protagonisten aus unserer Begegnungskampagne – sie alle wollten ihre guten Wünsche loswerden. Daraus ist ein toller Film entstanden. "Frohes Fest!"

Sehen Sie auch das Video zu diesem Beitrag

Linktipps

Das perfekte Last-Minute-Weihnachtsgeschenk

"Schneeflöckchen, Weißröckchen" in Gebärdensprache

(Katharina Hovestädt)

Unser Dinner for One

$
0
0
Wir haben den Silvester-Fernsehklassiker "Dinner for One" neu interpretiert – und das gleich mehrmals. Die Rolle des Butlers James wird dabei jeweils von verschiedenen Menschen mit Behinderung gespielt. Ob sich dadurch die Geschichte ändert?

Sehen Sie auch das Video zu diesem Beitrag

(Redaktion )


Gut behütet – Erfahrungen einer blinden Babysitterin

$
0
0

Elias und Mirien Carvalho sitzen zusammen auf dem Boden und spielen mit einem bunten Spielzeugtelefon

Blind babysitten - kann das klappen? Mit etwas Selbstvertrauen auf jeden Fall, sagt Mirien Carvalho Rodrigues. Die blinde Bloggerin erzählt euch von ihren Erlebnissen.

An dem Abend, an dem Martin und ich zum ersten Mal zusammen ausgingen, war er schwer beeindruckt davon, dass ich eine Speisekarte lesen konnte, ohne sie aufzuklappen. In Marburg boten auch damals schon einige Lokale Speisekarten in Brailleschrift an. Nach diesem Erlebnis beschloss Martin, alles über Bord zu werfen, was er vielleicht mal über Blindheit und blinde Menschen gedacht hatte. Auch bei seiner Familie – nennen wir sie Familie G. – wurden keine großen Worte gemacht. Wer mit einem der Kinder befreundet war, gehörte zur Familie. So kam auch ich als Martins Freundin Anfang der Neunzigerjahre oft zu Besuch.

Ganz selbstverständlich und unbefangen redeten wir über Gott und die Welt. Für mich war es manchmal beinahe unglaublich: Egal, ob es darum ging, Hemden zu bügeln, den Tisch für acht Personen zu decken oder ein Pferd in die Box zu führen – in dieser Familie hatte allein ich das Vorrecht zu sagen, wenn ich Unterstützung brauchte oder etwas lieber nicht machen wollte.

Traust du dir das zu?

Schließlich kam der Tag, an dem Martins Schwester Christiane einen Babysitter für ihren Jüngsten suchte. Der Kleine konnte noch nicht sprechen, war allerdings gerade dabei, die Welt im Krabbelsturm zu erobern.

Frei heraus sprach Christiane ihre Bedenken aus, das Kind könne mir nicht sagen, was es wolle. Nachdem ich ihr erklärt hatte, ich würde immer auf Tuchfühlung mit dem Kind bleiben und den ganzen Abend über nichts anderes machen, sagte sie schlicht: „Ja, wenn du mir sagst, dass das geht, dann machen wir das.“

Unvergesslicher Abend

Für mich wurde es ein unvergesslicher Abend. Ohne viel Erfahrung mit Kindern zu haben, war ich mir doch sicher, wir zwei würden uns verstehen. Als der kleine Simon zappelig wurde, nahm ich ihn aus seinem Stühlchen und setzte ihn auf den Boden. Irgendwas wollte er mir aber noch sagen, was ich nicht sofort begriff. Da krabbelte er hinter die Küchentür, ich ihm immer auf den Fersen. Dort stieß ich auf jede Menge leerer Flaschen. Aha, er hat Durst!

In dem Wissen, allein und unbeobachtet zu sein, wagte ich mich mit dem Kleinen auch auf die Terrasse. Und natürlich krabbelte das Kind wie der Blitz in Richtung Treppe. Die Oma hielt ihn immer von der Treppe fern. Ich beschloss, es anders zu machen, denn ich wollte Simons Forscherdrang unterstützen. So krabbelte schließlich das Kind Kopf voran ganz langsam die Treppe hinunter, während ich rückwärts krabbelte und ihn von unten sicherte. Bis heute weiß ich nicht, wer an dem Abend mehr Freude hatte.

Seither hatte ich noch einige Male das Glück, mit den Kindern gelassener Eltern zusammen etwas erleben zu dürfen. Zum Beispiel mit Elias. Seine Eltern sind selbst blind und gute Freunde von mir. Hier war von Anfang an klar, dass ich ihn halten, herumtragen und mit ihm spielen darf und mich dabei völlig frei und unbefangen fühlen kann.

Aber es war Familie G., bei der ich zum ersten Mal erfahren durfte, dass ich diese Unbefangenheit auch unter sehenden Menschen manchmal empfinden kann.

 

Linktipps:

Schulbesuche mit dem Blindenführhund. Mirien Carvalho Rodrigues über die Unbefangenheit bei ihren Begegnungen mit Kindern

Zu früh. Heiko Kunert über eine unverhoffte Begegnung mit einem Mann, der wirklich alles über Blinde weiß – oder das zumindest denkt

Wahrnehmungswelten blinder Menschen. Interview von Heiko Kunert mit Andreas Brüning, dem Initiator des Projekts „Biografie-Paten“

Behinderung ausgeblendet. Mirien Carvalho Rodrigues über Begegnungen in ihrem Job, bei denen ihre Blindheit kein Thema ist

(Mirien Carvalho Rodrigues)

Neue Heimat – Paten helfen beim Ankommen 

$
0
0

Zwei Mädchen kämpfen beim Fußball um den Ball. Im Hintergrund ein Schiedsrichter.

Fußballtraining und ein Pate mit viel Zeit – das ist das Erfolgsrezept des Berliner Projekts „Heimspiel“. 30 Mädchen aus Flüchtlingsfamilien machen mit, so wie die 12-jährige Samira. Sie ist seit einem Jahr in Deutschland und ihre Patin Fatemeh weiß genau, wie sich das anfühlt. 

Freitag, 14 Uhr, in einer Turnhalle in Berlin-Reinickendorf. Ein knappes Dutzend Mädchen zwischen 10 und 13 Jahren sitzt erwartungsvoll in einem Kreis. Wie jede Woche geht es hier nur um eines: Fußball spielen.  

Mit dabei sind Samira und Asiel, die eine Willkommensklasse ganz in der Nähe besuchen. Asiel ist offen und kommunikativ, Samira ist eher schüchtern. Beide sind beste Freundinnen und verbringen jede freie Minute zusammen. Die 12-Jährigen können es kaum erwarten, dass das Training beginnt. Sie erzählen: „Seit ein paar Wochen kommen wir regelmäßig, weil es einfach Spaß macht. Heute haben wir jeder ein Vereinstrikot bekommen.“ 

Unterwegs mit den Paten 

Der wöchentliche Fußballtreff ist Teil des Patenschaftsprogramms „Heimspiel“, das der Berliner Verein Kein Abseits! organisiert. Neben dem Training treffen sich die beiden Mädchen regelmäßig mit ihren Patinnen, den Schwestern Fatemeh und Khadijeh. Im Vierer-Pack gehen sie bowlen, Schlittschuhlaufen oder auch mal ins Musical. Die 28-jährige Fatemeh beschreibt das so: „Wir sind jetzt seit Herbst ein Gespann und lernen uns immer besser kennen. Das funktioniert vor allem über unsere gemeinsamen Unternehmungen. Manchmal bricht auch ein Scherz, ein kleines Spiel oder einfach eine Umarmung das Eis.“ 

Inzwischen steigt die Lautstärke in der Sporthalle. Zum Aufwärmen spielen die Mädchen fangen, dann kommen Stretching und Dribbel-Training. Alle sind hochkonzentriert und haben jede Menge kleine Erfolgserlebnisse. Samira ist vorne mit dabei, rennt und kämpft um jeden Ball. Vor knapp zwei Jahren ist sie aus Bosnien-Herzegowina nach Deutschland gekommen und lebt mit ihren Eltern und sieben Geschwistern in einer Flüchtlingsunterkunft. Mit Fatemeh hat die zurückhaltende Samira die Möglichkeit, aus der engen Unterkunft herauszukommen, dann geht es mal nur um sie.  

Eine ähnliche Geschichte 

Aktuell kümmern sich noch 30 weitere Paten um Kinder aus Flüchtlingsfamilien in dem Bezirk. Einige der Engagierten sind wie Fatemeh und Khadijeh selbst Zuwanderer. Sie kamen vor 25 Jahren aus dem Iran nach Deutschland. Für beide ist es nicht das erste Engagement: Sie sind im Schwimmverein aktiv, waren beim Bund Deutscher Pfadfinderinnen und engagierten sich in Jugendzentren. Beide kennen die Situation, wenn man in ein Land kommt und alles erst einmal neu ist. Fatemeh erinnert sich: „Wir haben vor allem von Freunden gelernt, wie die Dinge hier funktionieren. Jetzt kann ich dabei helfen, Samira eine Perspektive zu geben.“  

Kurz vor Abpfiff versenkt Samira noch einen Ball im Netz und lächelt danach fast verlegen. Dann greifen alle zu ihren Trinkflaschen, die Gesichter sind rot und strahlen glücklich. Alle Spielerinnen versammeln sich im Kreis und wählen die besten Spielerinnen des Trainings. Diesmal gehört auch Samira dazu.  

Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch nach seinen individuellen Möglichkeiten selbstbestimmt leben und am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann. Dieses selbstverständliche Miteinander erreichen wir nur, wenn sich möglichst viele Menschen für eine inklusive Gesellschaft einsetzen und sie mitgestalten – zum Beispiel durch freiwilliges Engagement. Die Aktion Mensch bietet mit ihrer Freiwilligen-Datenbank einen Überblick über die zahlreichen Möglichkeiten: Menschen mit und ohne Behinderung können aus mehr als 13.000 Angeboten  das passende Engagement auswählen. 
 
Weitere Ideen für inklusives Engagement finden Sie in der Freiwilligen-Datenbank.

(Henrik Flor)

Mit dem Rollstuhl auf Jamaika

$
0
0

Dennis Zittlau mit lachenden jamaikanischen Schülern

Dennis liebt Reggae-Musik – und er wollte schon immer in deren Ursprungsland, nach Jamaika. Gesagt, getan.

Wie komme ich an ein barrierefreies Zimmer? Muss ich beim Flug etwas bedenken? Wie weit sind die Wege auf Jamaika? Was will ich überhaupt unternehmen? Für alles gab es eine Antwort, und nach ein paar Wochen Vorbereitung hieß es für den Musiker aus Hessen: Weg von den winterlichen Temperaturen, ab in die Karibik!

Wie es sich – nur von seinem Rollstuhl begleitet – reist, erfahrt ihr in seinem Video-Bericht. Viel Spaß :-)

Sehen Sie auch das Video zu diesem Beitrag

 

Linktipps:

Der Song aus dem Jamaika-Video: „Unstoppable“ von Sittin' Bull (feat. OC G)

Noch mehr Songs, Bilder und Infos: Die Homepage von Sittin' Bull

Im Rolli zum Reggae: Die Westfälischen Nachrichten über die Jamaika-Reise von Dennis Zittlau aka Sittin' Bull

Unheilbar neugierig: MENSCHEN. das magazin über den querschnittsgelähmten Reisejournalisten Andreas Pröve

Gemeinsam unterwegs: MENSCHEN. das magazin über Reiseassistenz und Unterstützung im Urlaub für Menschen mit Behinderung

Zwei Reisevögel auf vier Rädern: Volker und Iris Westermann haben fast die ganze Welt bereist – im Rollstuhl und mit Glasknochenkrankheit

Reisen mit allen Sinnen. Ulrich Steilen über ein Reiseunternehmen, das gemeinsame Touren für blinde, sehbehinderte und sehende Reisegäste veranstaltet

Urlaub – alles inklusiv? Petra Strack über die Tücken einer Reise mit Rollstuhl

Mehr zum Thema „Urlaub und Begegnung“ findet ihr beim Familienratgeber

(Redaktion )

Selbstverständlich barrierefrei!?

$
0
0

Eine Frau steht an einer Bushaltestelle. Sie hält einen Langstock in der Hand und drückt auf einen Taste.

„Linie 8 Papierfabrik in 5 Min.“ steht auf der digitalen Informationstafel an einer Kasseler Straßenbahnhaltestelle. Drückt Birgit Schopmans, die selbst blind ist, den Knopf, wird ihr diese Echtzeitinformation auch per Lautsprecher durchgesagt. Bei der Kasseler Verkehrsgesellschaft ist das mittlerweile Standard – aber wie sieht es sonst aus mit der Barrierefreiheit bei neuen Technologien? Ottmar Miles-Paul hat für uns nachgehakt.
 

Tastbare Armbanduhren, auf Kassette gesprochene Hörbücher, sprechende Personenwaagen – solche Hilfsmittel wurden früher vor allem von blinden Menschen genutzt. Heute sieht es anders aus: Die Sprachsysteme von Smartphones, Tablets oder Navigationshilfen bieten darüber hinaus ganz neue Zugangsmöglichkeiten zu Informationen. Und diese bringen nicht nur große Vorteile für Menschen mit ganz unterschiedlichen Behinderungen, sondern werden auch häufig von Menschen genutzt, die keine Einschränkungen haben. Denn sie sind oft bequemer nutzbar.

Mich verwundert deshalb auch nicht das Ergebnis einer aktuellen repräsentativen Umfrage die YouGov Deutschland im Auftrag der Aktion Mensch durchgeführt hat. 62 Prozent der Befragten haben da angegeben, dass sie glauben, digitale Innovationen (z.B. Apps oder spezielle Software) können helfen, reale Barrieren im Alltag abzubauen.

Neue Barrieren entstehen täglich

Doch was breiten Rückhalt in der Bevölkerung findet, ist hierzulande noch längst nicht die Regel. Denn es gibt bisher in Deutschland kaum verbindliche gesetzliche Vorgaben, dass Dienstleistungen und Produkte privater Anbieter barrierefrei gestaltet werden müssen. So wartet Birgit Schopmans beispielsweise immer noch auf einen barrierefrei nutzbaren Geldautomaten in ihrer Bank und ärgert sich über so manche für sie nicht nutzbare Internetseite.

Während 77 Prozent der von YouGov Deutschland Befragten strengere gesetzliche Vorgaben für den Abbau von Barrieren befürworten, hat die Bundesregierung dies in ihrem Gesetzesentwurf für die Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechts nicht vorgesehen. So werden trotz vorhandener und beispielsweise in den USA längst vorgeschriebener Lösungen, hierzulande täglich neue Barrieren im Internet und bei Produkten errichtet, die Menschen mit ganz unterschiedlichen Beeinträchtigungen behindern.

Einsatz für klare gesetzliche Regelungen

Birgit Schopmans setzt sich deshalb zusammen mit vielen anderen dafür ein, dass zukünftig Internetseiten, technische Geräte und Dienstleistungen für alle barrierefrei nutzbar sein müssen. Sie hofft, dass die Bundestagsabgeordneten gesetzliche Regelungen im Bundesbehindertengleichstellungsgesetz beschließen, die eine barrierefreie Gestaltung öffentlicher Dienstleistungen und Produkte vorschreibt. Und sie ist sich sicher, dass davon viele profitieren, nicht zuletzt die Hersteller barrierefreier Produkte, die damit international konkurrenzfähiger werden.

 

Linktipps:

Barrierefreiheit - Was heißt das?

Zahlen und Fakten zum Thema Barrierefreiheit

Weitere Themen rund um Barrierefreiheit (Aktion Mensch)

(Ottmar Miles-Paul)

#otc16: Barrieren gemeinsam überwinden

$
0
0

Viele Menschen stehen vor einer Wandtafel und sehen sich den dort aufgehängten Sessionplan des BarCamps an.

Rund 100 Menschen haben auf dem openTransfer Camp Inklusion in München über Inklusion, (digitale) Barrierefreiheit und virtuelle Sozialräume diskutiert. Johannes Mirus und Sascha Foerster waren für uns dabei.

Samstag, 9:52 Uhr in München: Los geht's! Wir kommen im Strascheg Center for Entrepreneurship (SCE) an, füllen schnell unsere Namensschilder aus und stürzen uns neugierig ins Getümmel. Wir sind gespannt, über welche Themen wir heute sprechen werden und wie die Stimmung insgesamt ist.

Wir brauchen mehr Räume!

Die erste Überraschung: Viele der Besucher sind „Wiederholungstäter“ und kennen sich schon mit Barcamps aus. Entsprechend routiniert verläuft die Sessionplanung. Bei Barcamps ist es ja immer so, dass die Besucher zusammen das Programm zusammenpuzzeln. Jeder kann eine Session vorschlagen. In München gibt es so viele Ideen, dass spontan zusätzliche Räume geschaffen werden, damit auch alle vorgeschlagenen 20 Sessions stattfinden können. Am Ende wird immer zeitgleich in jeweils fünf Räumen diskutiert.

Barrierefreie Karten und inklusive Mode

Barrierefreiheit, das ist eins der Hauptthemen von diesem openTransferCamp, und gleich zu Beginn geht es dann in zwei Sessions parallel um Barrierefreiheit in Stadtplänen. Es gibt zwei unterschiedliche Ansätze, mit denen sich jeweils eine Gruppe beschäftigt: Informationsgewinnung in einer kleinen Community, die durch eine Kontrollinstanz für eine hohe Qualität der Informationen sorgt – wie am Beispiel CBF München ersichtlich – oder die Open-Source-Variante TransforMap, bei der jeder Interessierte Daten hinterlassen kann. Nach etwa der Hälfte der Zeit zeigt sich, warum Barcamps eine tolle Konferenzform sind: Spontan werden die beiden Sessions zusammengelegt, sodass alle Beteiligten miteinander diskutieren und sich vernetzen können. Vielleicht entsteht ja im Nachgang eine noch bessere Lösung, die alle Wünsche berücksichtigt.

In einer anderen Session präsentiert Cinderella Glücklich ihre Idee von „Fashion für alle“. Sie selbst stellt immer wieder fest, wie wenig Mode es für sie als Rollstuhlfahrerin gibt, und gleichzeitig, wie überfordert viele Verkäufer mit der Situation sind, wenn sie um Rat gebeten werden. Sie möchte das mit einem Online-Projektändern und sucht noch Unterstützung.

Diskussionen und schlaue Sätze

Das Schöne bei BarCamps ist auch, dass man mit vielen Menschen ins Gespräch kommt. Das passiert ganz automatisch. Zum einen, weil man nie alle Sessions besuchen kann, die man gerne besuchen würde – und wissen möchte, was man verpasst hat. Zum anderen aber auch, weil man über Themen weiter sprechen möchte. Zum Beispiel über die geplante Studie zum Medienkonsum von Menschen mit Behinderung. Oder auch über die Frage, ob Social Media ein Sprachrohr für Menschen mit Behinderung sein kann.

Was wir neben viel Input mit nach Hause nehmen, ist dieser Satz von einem Besucher: „Wir sollten aufhören, von Inklusion zu reden und einfach ‚alle‘ sagen und meinen.“

 

Ein Blogbeitrag von Sascha Foerster und Johannes Mirus

 

Linktipps:

Storify: Social-Media-Rückblick auf das openTransfer Camp Inklusion in München

openTransfer CAMP Inklusion 2016: Sessionplan mit allen vorgestellten Themen

Begleitende Blogparade zum Thema „Wie kommt Barrierefreiheit im Netz voran?“

„Wir schauen dorthin, wo es noch hapert“. Ulrich Steilen über das openTransfer CAMP Inklusion 2015 in Dortmund

Was bedeutet eigentlich Barrierefreiheit im Internet? Domingos de Oliveira über ein Netz für alle

Unbehindert aktiv. Domingos de Oliveira über mangelnde Barrierefreiheit von Tools für Online-Aktivisten mit Behinderung

Mehr Infos und Links gibt's im Themenfeld Barrierefreiheit der Aktion Mensch

Zuhörer mit und ohne Rollstühle lauschen einem VortragVerschiedene Grüppchen von Besuchern diskutieren im Foyer des Barcamps miteinanderNahaufnahme von der Wandtafel mit dem Sessionplan: ein Zettel mit der Aufschrift "Fashion für alle. Warum ist Mode (noch) nicht inklusiv?"Session von Cinderella Glücklich: Die Teilnehmer sitzen im Halbkreis um die Referentin herumTeilnehmer im Foyer des Barcamps

(Redaktion )

Kunst für alle Sinne

$
0
0

Uschi Baetz und Sebastian Schaaps

Kunst kann man hören, fühlen und, ach ja, sehen. Vor allem kann man über Kunst ins Gespräch kommen. Die Bundeskunsthalle lädt mit dem „Art Talk Inklusiv“ dazu ein. Ein Angebot für Menschen mit und ohne Behinderung.

Etwas düster hier, denke ich, als ich die Ausstellungsräume der Bundeskunsthalle in Bonn betrete, in der noch bis zum 21. Februar die Ausstellung „Japans Liebe zum Impressionismus“ gezeigt wird. An diesem Samstag bin ich mutmaßlich die einzige Besucherin, die das wegen ihrer Nachtblindheit so empfindet, denn die vielen anderen Gäste bewegen sich wie Fische im Wasser. Gut, dass die Kunstvermittler Uschi Baetz und Sebastian Schaaps mich durch die Ausstellung führen werden. „ArtTalk Inklusiv“ heißt das Angebot des Museums, das anlässlich der Impressionisten-Ausstellung ins Leben gerufen wurde und bei späteren Ausstellungen fortgeführt werden soll. An mehreren Terminen im Monat können Menschen mit und ohne Behinderung an dieser besonderen Führung teilnehmen und miteinander ins Gespräch kommen. Es geht darum, Kunstwerke auch anders als mit den Augen wahrzunehmen, doch Zielgruppe sind nicht nur Blinde und Sehbehinderte. Auch Menschen mit Sprachbehinderungen oder solche, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, sind beispielsweise angesprochen – und natürlich Menschen ohne Handicap. „Wir möchten die Besucher dafür sensibilisieren, wie Menschen mit Beeinträchtigungen Dinge wahrnehmen und zum Beispiel einen Museumsbesuch erleben können“, erklärt Sebastian Schaaps.

Die Führung richtet sich nach den Wünschen der Besucher

Heute ist die Führung weniger inklusiv, vielmehr exklusiv: Ich bin die Einzige, die teilnimmt. „Der Zulauf ist unterschiedlich“, sagt Uschi Baetz. „Mal kommen Gruppen, mal Einzelpersonen – und wenn niemand kommt, gehen wir durch die Ausstellung, sprechen die Leute an, beantworten Fragen oder zeigen den Besuchern die Hör- und Taststationen.“ Noch nie sei es vorgekommen, dass die beiden in den drei Stunden, die die Veranstaltung dauert, nur geschwiegen hätten. Was die Länge der Führung und Erläuterungen betrifft, richten sich die Vermittler nach den Wünschen der Teilnehmer.

Nun aber auf zur Kunst! Im ersten Raum sind japanische Holzschnitte aus dem 19. Jahrhundert zu sehen. Sie gelangten auf verschiedenen Wegen nach Europa und beeinflussten die Impressionisten: Diese wählten nun für ihre Bilder auch kleine Ausschnitte statt einer totalen Ansicht, wie es damals üblich war. Weil ich schlecht sehen kann, darf ich nah an die Bilder herantreten, und wie schön: Kein Aufpasser pfeift mich zurück. Später sehen wir in einem anderen Raum einen japanischen Holzschnitt, der nur den Bug eines Bootes mit einer Frau zeigt: Monet, der japanische Holzschnitte sammelte, griff das Motiv in einem Gemälde auf, das an der gegenüberliegenden Wand hängt.

Ein Bild zu erfühlen, ist ganz schön schwierig

In einem weiteren Saal sind Bilder von Camille Pissarro, Alfred Sisley und Édouard Manet zu sehen. Alle Werke sind Leihgaben aus japanischen Sammlungen. Anhand einer Winterlandschaft von Pissarro erläutern Baetz und Schaaps die impressionistische Malweise, die zu ihrer Zeit, im ausgehenden 19. Jahrhundert, auf Widerstand stieß. Wer unscharf sieht, darf das bei den Impressionisten getrost auf deren Strichführung, die verschwimmenden Konturen, das flirrende Spiel von Licht und Schatten schieben. Wir kommen zur ersten „Hörbar“ – zwei Bänke, getrennt durch ein Mittelstück, in dem Lautsprecher und Kopfhörer untergebracht sind. Hier können sich die Besucher japanische Naturgedichte oder Erklärungen zu Werken, Motiven und zur Raumkonzeption anhören.

Was vor allem Blinde begeistert, sind die beiden Tastbars, sagt Sebastian Schaaps. Hier können reliefartige Bilder ertastet werden, die teils Motive aus den Werken der Ausstellung, teils frei entworfende japanische Motive darstellen. Die Künstlerin Susanne Ristow hat sie gestaltet. Und den Besuchern eine schwierige Aufgabe gegeben. Denn obwohl ich sehbehindert bin, gehört Tasten nicht zu meinen Gepflogenheiten: Nur mühsam erkenne ich die Motive mit den Fingern. Wenn einer den Anfang macht, trauen sich auch andere: Schon sind vier Besucher dabei, die Bilder ebenfalls zu erfühlen. Das ist ganz im Sinne der Kunstvermittler, die in dem Konzept einen „Mehrwert für alle“ sehen.

Wir verlassen die Ausstellungsräume – ich habe interessante Einblicke erhalten und würde gerne länger verweilen, wenn meine Füße nicht allmählich weh täten. Und ich freue mich, nach dem Gang durch die etwas düsteren Räume in das lichtdurchflutete Foyer zurückzukehren.

 

Die nächsten Termine für den Art Talk Inklusiv:

  • Samstag, 13. Februar, 14 bis 17 Uhr
  • Mittwoch, 17. Februar, 17 bis 20 Uhr

Eine Anmeldung ist möglich, aber nicht zwingend erforderlich. Beratung: Birgit Tellmann, Bundeskunsthalle, Tel. 0228 9171-291

 

Linktipps:

ArtTalk Inklusiv“ in der Bundeskunsthalle Bonn

Kunst für den Kopf. MENSCHEN. das magazin über Kulturangebote der Bundeskunsthalle für Menschen mit Demenzerkrankung

Der blaue Engel wird greifbar. Ulrich Steilen über barrierefreie Führungen in der Deutschen Kinemathek in Berlin

Kunst für alle: Auch Hände können sehen. Heiko Kunert über die barrierefreien Ausstellungen des Künstlers Horst W. Müller

(Ute Stephanie Mansion)

Inklusives Stadionerlebnis

$
0
0

Fußball-Fans sitzen auf der Tribühne. Hinten links im Bild ist ein Blindenreporter zu sehen. Er spricht in ein Mikrofon. Hinten rechts sitzt ein blinder Besucher. Er trägt Kopfhörer und hört dem Blindenreporter zu.

Wenn der Schiedsrichter das Spiel anpfeift, haben die meisten Stadionbesucher ihre Augen auf dem Ball. Blindenreporter gucken besonders genau hin, denn sie machen das Fußballspiel für Menschen mit Sehbehinderung erlebbar. Einer von ihnen ist Philipp.

„Foulspiel: Auf 16er Kantenhöhe ungefähr, in der Gladbacher Hälfte, rechte Seite.“ So hört es sich an, wenn Philipp seine Arbeit macht. Er ist Blindenreporter bei Bayer 04 Leverkusen und macht die Spiele im Stadion für Blinde und sehbehinderte Menschen erlebbar – ein Angebot, das es bereits in allen Stadien der ersten Bundesliga und fast allen Stadien der zweiten Liga gibt.

Detailgenaue Beschreibung ist das Wichtigste

Ballkontakte, Spielzüge, Aktivitäten auf der Trainerbank: Das Wichtigste bei einer Blindenreportage ist eine haargenaue Beschreibung von allem, was auf und um dem Spielfeld passiert. Der Reporter ist quasi eine Art Übersetzer – die Fans wollen das Spiel ihrer Lieblingsmannschaft schließlich so nah wie möglich mitverfolgen. Gelernt hat Philipp die Blindenreportage im  Blindenreporterkompetenzzentrum in Berlin. Das 2014 von Aktion Mensch, DFL und AWO gegründete Zentrum will ein flächendeckendes Angebot an Blindenreportagen schaffen und bildet dafür fußballbegeisterte Menschen wie Philipp zum Blindenreporter aus. Seit 1999 die erste Blindenreportage in Leverkusen eingeführt worden ist, gibt es deutschlandweit schon etwa 100 ehrenamtliche Blindenreporter. Bald sollen auf der Homepage der AWO außerdem alle Blindenreportagen zum Nachhören zur Verfügung stehen.

Sehen Sie auch das Video zu diesem Beitrag

Link-Tipps

Hier geht es zum Kompetenzzentrum für Sehbehinderten- und Blindenreportage (ZSBR)

Mehr zum Thema Inklusion und Sport

Inklusives Fußball-Training bei Eintracht Frankfurt

Inklusionsspieltag bei Werder Bremen

"Lernort Stadion" bei Borussia Dortmund

Infos zur Kooperation der Aktion Mensch mit der Bundesliga-Stiftung

(Redaktion )


Blind im Stadion – Mittendrin statt nur dabei!

$
0
0

Zentrum für Sehbehinderten- und Blindenreportage

Im Rahmen des Spiels zwischen Bayer 04 Leverkusen und SV Werder Bremen am 24. Spieltag wurde zusätzlich ein Projekt des Zentrums für Sehbehinderten- und Blindenreportage vorgestellt, dass von der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Kooperation mit der Aktion Mensch, der Bundesligastiftung und der DFL realisiert wurde. Auf einer eigenen Homepage sollen die Reportagen für blinde und sehbehinderte Fans nach den Spielen zum Nachhören online gestellt werden und so das Angebot für blinde und sehbehinderte Fußballfans erweitern.

Fußballspieler in weißen und rot-schwarzen Trikots kämpfen im Strafraum um den Ball

Wie können blinde Menschen dem Spielgeschehen auf dem Rasen überhaupt folgen? Möglich macht's die Blindenreportage. Marcel, leidenschaftlicher Fußballfan, schildert seine Eindrücke vom Spiel in Leverkusen gegen Bremen.

Text von Marcel Wienands

Bayer Leverkusen gegen Werder Bremen. Die Leverkusener wollen in die Champions League, und die Jungs von der Weser brauchen jeden Punkt im Kampf gegen den Abstieg – Spannung ist garantiert.

Von meinem Platz kann ich die Fangesänge beider Fangruppierungen hören. Sie sind schon in bester Stimmung. Die Bremer Fans sind gegenüber von mir, die Leverkusener Anhänger sind ganz auf der anderen Seite des Spielfelds.

Vor dem Spiel verteilen die Blindenreporter Kopfhörer an mich und die anderen blinden Fans, über die wir eine genaue Beschreibung des Spielgeschehens kriegen. Bei diesem Spiel haben wir direkten, persönlichen Kontakt zu den Blindenreportern. Das ist nicht immer so, oft sitzen sie wegen der besseren Sicht auf der Pressetribüne. Die Reporter geben uns vorab Infos über die Aufstellung beider Mannschaften, und dann geht es los.

Blitzstart der Bremer

Es dauert keine fünf Minuten, da schlagen die Bremer eiskalt zu. Ein Freistoß von Junuzovic, ein kurzes Durcheinander im Strafraum, und dann ist der Ball drin. Das ging schnell! Die Reporter fassen die Spielszene noch einmal mit allen Details zusammen, so kann ich mir die Situation gut vorstellen. Kurz darauf die nächste Chance für Werder Bremen. Ein schneller Konter. Der Reporter wird schneller, passt seine Stimme dem Tempo des Spiels an. Mit jedem Meter, den der Ball sich dem Tor nähert, werden die Fans lauter. Doch beim vermeintlichen 2:0 steht Pizarro im Abseits. Danach beruhigt sich das Spiel ein bisschen.

Die Reporter berichten über taktische Anweisungen unterhalb der Spieler, berichten von Zwischenständen der anderen Spiele und ordnen das Spielgeschehen ein. So verpasse ich nichts. Leverkusen schafft es nicht, sich klare Torchance herauszuspielen, so die Analyse des Reporters zur Halbzeitpause.

Pizarro entscheidet das Spiel

Zu Beginn der zweiten Halbzeit kommen die Leverkusener motiviert aus der Kabine. Doch es sind erneut die Gäste, die ein Tor schießen. „Ungenauer Pass von Hilbert auf Kramer. Dem verspringt auch noch leicht der Ball. Pizarro luchst ihm den Ball ab und kann aus 30 Metern aufs Tor zu sprinten und lupft …“ Jubel bei den Bremer Fans, der die Stimme des Reporters übertönt. Es steht 2:0.

Trotz des Rückstands sorgen immer noch beide Fanlager für gute Stimmung auf den Rängen. Kurz darauf ein lauter Aufschrei der Leverkusen-Fans. Sie fordern Handelfmeter. In diesem Fall kann der Reporter die Situation aus der Ferne nicht einschätzen. Er sagt aber, dass der Schiedsrichter beste Sicht auf das Geschehen hatte.

Aufnahme aus der Blindenreportage

Hören Sie auch die Tonspur zu diesem Beitrag

Stattdessen gibt es dann einen Strafstoß für die Bremer. Die Bremer Fans fordern ihren Liebling, den sympathischen Peruaner. Er verlädt den Torwart in die falsche Ecke und erhöht auf 3:0. Lediglich ein Eigentor der Bremer lässt Leverkusen noch kurz hoffen. In der 83. Minute köpft Pizarro nach einer Ecke zum 4:1 ein, womit das Spiel entschieden ist.

Aufnahme aus der Blindenreportage

Hören Sie auch die Tonspur zu diesem Beitrag

Der Bremer Fanblock feiert den Sieg seiner Mannschaft. Auch hier informiert mich der Reporter darüber, dass die Bremer von links nach rechts hüpfen. In meinem Kopf entsteht automatisch das Bild einer grün-weißen Kurve, die sich auf und ab bewegt. Das Endergebnis steht. Ein attraktives Spiel mit fünf Toren. Ein super Fußballabend!

 

Linktipps:

Inklusives Stadionerlebnis: Philipp ist Blindenreporter bei Bayer 04 Leverkusen

Hier geht es zum Kompetenzzentrum für Sehbehinderten- und Blindenreportage (ZSBR)

Mehr zum Thema Inklusion und Sport bei der Aktion Mensch

Kicken mit den Profis: Inklusives Fußball-Training bei Eintracht Frankfurt

Gemeinsam für Inklusion: Inklusionsspieltag bei Werder Bremen

Lernen im Stadion – ganz inklusiv: „Lernort Stadion“ bei Borussia Dortmund

Infos zur Kooperation der Aktion Mensch mit der Bundesliga-Stiftung

Marcel und Bayer-Spieler Ömer Toprak vor dem Schriftzug der Aktion Mensch

Hören Sie auch die Tonspur zu diesem Beitrag

(Redaktion )

4 Tipps für dein barrierefreies Video

$
0
0

Du hast ein cooles Video gemacht und willst, dass möglichst alle etwas davon haben?Dann mach dein Video barrierefrei! Wir haben für dich die wichtigsten Schritte zusammengestellt.

 

1. Schreib es auf: Untertitel

Der erste Schritt zu deinem barrierefreien Video sind Untertitel. Sie helfen nicht nur gehörlosen Menschen, sondern auch Nicht-Muttersprachlern, die nicht alles sofort verstehen – oder bahnfahrenden Smartphone-Nutzern ohne Kopfhörer, die ihre Mitfahrer nicht belästigen wollen. Außerdem sind sie ziemlich einfach umzusetzen – wir zeigen dir, wie es geht!

  • Es gibt ganz verschiedene Programme, die es dir erleichtern, Untertitel zu erstellen. Kostenfreie Tools sind zum Beispiel der SubtitleCreator oder der AHD Subtitles Maker Professional. Bei vielen Video-Schnittprogrammen ist die Möglichkeit, zu untertiteln, schon integriert.
  • Du solltest alles aufschreiben, was in deinem Video zu hören ist und Bedeutung hat. Dazu gehört natürlich, was du oder andere Menschen in deinem Video sagen, aber auch wichtige Geräusche und Hintergrundmusik.
  • Mach immer deutlich, welche Aussage von wem stammt. Das ist besonders wichtig, wenn die Person gerade nicht im Bild ist. Am besten setzt du dann einfach den Namen mit einem Doppelpunkt oder in Klammern vor die Aussage.

Das Bild von einem Video von zwei Kletterern in einem Klettergarten. Am unteren Bildrand sind Untertitel eingeblendet, die rot umkringelt sind.

 

  • Deine Untertitel sollten nicht länger als zwei Zeilen sein. Denn: Mehrzeilige Untertitel erschweren die Lesbarkeit.
  • Außerdem sollten Untertitel bestenfalls circa zwei Sekunden stehen bleiben, damit dein Publikum den Inhalt zu Ende lesen kann.

Mehr nützliche Infos zu Untertiteln findest du auf der Seite www.untertitelrichtlinien.de.

Das gängige Symbol für Untertitel kannst du dir im Bild unten an dritter Stelle anschauen (roter Kreis).

2. Sag, was du siehst: Audiodeskription

„Das Augenpaar eines Mannes. Er sieht nach links. Nach rechts. Geradeaus. Um das rechte Auge schließt sich ein Fadenkreuz.“ Das ist ein Ausschnitt des Tatort-Vorspanns mit Audiodeskription. Sie beschreibt blinden Menschen die visuellen Details im Film oder Video, die ihnen sonst entgingen. Eine Audiodeskription in deinem Video zu ergänzen, ist eine kleine Kunst, kann aber auch viel Spaß bringen. So geht's:

Eigentlich ist eine Audiodeskription nur eine zusätzliche Tonspur, die den Inhalt erklärt, der rein visuell wiedergegeben wird. Also mit Aufnahmegerät vor das Video setzen und drauflos quatschen? So einfach ist es leider nicht, denn nur die Sprechpausen können für Erklärungen genutzt werden. Je nach Sprachanteil bei deinem Video ist nicht mehr viel Platz für große Beschreibungen zwischen den Dialogen übrig. Deshalb musst du bewerten: Was ist wirklich wichtig, um die Handlung im Video zu verstehen? Genau das solltest du dann im Video beschreiben. Am besten gehst du in diesen fünf Schritten vor:

  • Sieh dir das Video an und schreibe den Timecode und die Dauer der „sprechfreien“ Zeiten auf. So kannst du abschätzen, an welcher Stelle im Video du überhaupt Zeit hast, etwas zu beschreiben.
  • Schau dir das Video nochmal an und überlege, was genau wichtig ist, damit blinde Menschen die Handlung nachvollziehen können. Dann formulierst du diese in Worte.
  • Teste dann, ob diese Beschreibungen an den richtigen Stellen im Video in die „sprechfreien“ Zeiten passen.
  • Setze dir Kopfhörer auf, spiele das Video auf deinem Computer ab, so dass du den Ton des Videos auf den Ohren hast, schnapp dir dann dein Aufnahmegerät oder dein Smartphone mit Aufnahmefunktion und nehme deine Beschreibungen auf, die du an den passenden Stellen im Video aufsagst. Am besten markierst du dir durch ein kurzes Schnalzen oder ähnliches, wann das Video anfängt, dann kannst du später die Tonspur besser einbinden.
  • Du kannst mit einfachen Schnittprogrammen die Tonspur in das fertige Video integrieren, oder du nutzt Player, die das Zuschalten der Tonspur erlauben (Tipps zu den Playern findest du weiter unten).

Das gängige Symbol für Audiodeskription steht an erster Stelle im Bild unten (roter Kreis).

Eine einfache Alternative zur Audiodeskription: Beim Dreh deines Videos kannst du schon daran denken, alle wichtigen Infos und Details zu benennen. Solltest du zum Beispiel ein Familienfoto in die Kamera halten, sagst du einfach kurz: „Das hier ist ein Bild von meiner Familie bei Omas Geburtstag. Onkel Herbert hatte mal wieder seinen hässlichen, ockerfarbenen Pullover mit Häschen-Motiv an.“

3. Übersetze es: Gebärdensprache

Du fragst dich jetzt: Wenn ich schon Untertitel habe, warum brauche ich dann noch Gebärdensprache für mein Video? Für viele gehörlose Menschen ist die Deutsche Gebärdensprache ihre Muttersprache. Sie folgt einer anderen Grammatik und Struktur als die in den Untertiteln. Die meisten schauen Videos gern in der Sprache, die sie am besten verstehen.

Allerdings ist es für dich zu Hause gar nicht so einfach, dein Video in Gebärdensprache übersetzen zu lassen, wenn du sie nicht zufällig beherrschst. Deshalb gibt es Übersetzungsservices, die das zum Beispiel für Unternehmen übernehmen. Für dein Video ist das zu teuer? Schau dich im Netz um, frag in sozialen Netzwerken: Vielleicht lernst du ja jemanden kennen, der dir dabei helfen kann, und du machst gleichzeitig noch eine nette Bekanntschaft. Dann dreht ihr die Übersetzung am besten vor einer weißen Fläche, zum Beispiel einer kahlen Wand, und lasst den Übersetzer an der rechten Hälfte des Bildes stehen. Dann könnt ihr später im Schnittprogramm das Video in die weiße Fläche einpflegen.

Bild eines Video-Players: Am rechten Rand des Videos, das gezeichnete Rollstuhlbasketballer zeigt, übersetzt ein Gebärdensprachdolmetscher

Das gängige Symbol für Deutsche Gebärdensprache ist im Bild unten (roter Kreis) an zweiter Stelle eingebunden.

4. Spiel es ab: Der richtige Player für deinen Blog

Du hast Untertitel, Audiodeskription und Gebärdensprach-Übersetzung vorliegen und weißt jetzt gar nicht, wie du all diese Angebote in deinen Blog oder deine Webseite einfügen kannst? Außerdem willst du sichergehen, dass blinde Menschen den Player auch ohne Probleme bedienen können? Dann brauchst du den richtigen Player. Es gibt nämlich große Unterschiede: Manche ermöglichen gar kein Zuschalten von barrierefreien Angeboten, andere nur den Untertitel, wieder andere können nicht über die Tastatur bedient werden. Aber es gibt auch ein paar Open-Source-Player, wie zum Beispiel den Able Player oder JW Player, die du konfigurieren kannst und die sich gut dazu eignen, um dein barrierefreies Video benutzerfreundlich einzubetten.

Noch was Wichtiges: Klar, manchmal ist es schwierig, alle Videos umfassend barrierefrei zu machen – aber ein Versuch ist es wert :-) Und zumindest Untertitel sind häufig schnell gemacht. Also viel Spaß!

Bild eines Video-Players, unten rechts sind die Symbole für Gebärdensprache und Untertitel rot eingekreist

 

Linktipps:

Einfach für alle – Digitale Barrierefreiheit

Was ist Barrierefreiheit?

Kleiner Einblick in die Gebärdensprache

Was ist Inklusion? Video-Beispiel für Audiodeskription und Untertitel

Das erste Mal – Video-Beispiel Deutsche Gebärdensprache

(Katharina Hovestädt)

Die Bühne im Ohr – ein Besuch in der Hör-Oper

$
0
0

Linktipps:

Ute Stephanie Mansion in einem Heißluftballon auf der Bühne der Höroper

Wilde Tiere streicheln und mit einem Heißluftballon über die Bühne schweben – ein Besuch der Hör-Oper am Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen kann aufregend sein. Ute Stephanie Mansion war bei einer Aufführung dabei.

Wir dürfen den Löwen streicheln: Sein Fell fühlt sich samtweich an, nur die Mähne ist rau. Zugegeben – dieser Löwe ist ein Kostüm und das „Fell“ ist ein Anzug im Stil der Siebzigerjahre. Es ist eins der Kostüme des Musicals „Der Zauberer von Oz“, das im vergangenen Winter im „Musiktheater im Revier“ (MiR) aufgeführt wurde. Seit 2009 bietet das MiR in Gelsenkirchen Hör-Opern für Blinde und Menschen mit Sehbehinderung an.
Wir dürfen nicht nur die Kostüme und Requisiten befühlen, wir bekommen auch eine Einführung in das Stück und während der Aufführung eine Beschreibung des Bühnengeschehens über Kopfhörer. Der Blinden- und Sehbehindertenverein Gelsenkirchen hat das Angebot zusammen mit der Stadt initiiert.

Ertasten, was später die Bühne füllt

Zwei Stunden vor Beginn der Vorstellung stehen wir im oberen Foyer. Wir ertasten die Kostüme des Zauberers, des Löwen, des Blechmanns, der Vogelscheuche und der guten Hexe. Als jemand, der „nur“ sehbehindert ist, hätte ich mir mehr Licht gewünscht. Das Wetter ist heute schlecht, deswegen kommt nur trübes Tageslicht durch die Fenster und die Beleuchtung reicht nicht. Wir folgen der Dramaturgin Juliane Schunke, die das Projekt Hör-Oper leitet. Über Treppen führt sie uns in die „Schleuse“, einen Gang, in dem sich die Darsteller vor ihrem Auftritt einfinden. Ob es so warm ist, weil sich hier oft Menschen mit Lampenfieber aufhalten? Weiter geht’s auf die Bühne. Ein nachgebauter Heißluftballon ist nur nach vorne gewölbt, die Hinterseite wird das Publikum nicht sehen. Doch er wirkt so einladend, dass meine Begleiterin in den Korb steigt und über die halbe Bühne schwebt. Tasten, sehen und staunen auch bei Sonnenblumen, Weizenfeldern, Haus und Bett der Protagonistin Dorothy. Beeindruckend, all die Requisiten eines Stückes einmal von Nahem zu sehen oder ertasten zu dürfen.

Los geht’s

Zurück im oberen Foyer, erklärt die Dramaturgin, worum es in dem Musical geht und einige Besonderheiten der Inszenierung. Kurze Pause, dann dürfen wir schon – vor den anderen Zuschauern – unsere Plätze einnehmen. Die Audiodeskription, für die wir ein kleines Gerät mit Kopfhörer bekommen haben, beginnt nämlich vor der Aufführung: Kostüme und Bühnenbild werden genau beschrieben, denn das würde während der Vorstellung zu lange dauern. Für jede Hör-Oper bereiten zwei Blinde und zwei Sehende die Audiodeskription vor, was zwei Stunden pro zehn Minuten Oper dauert.
Eine Arbeit, die sich lohnt, denn es ist ein schönes Gefühl, dank der Beschreibungen nichts zu verpassen. Die Übersetzungen der auf Englisch gesungenen Lieder, die unsere „Opernflüsterin“ uns ebenfalls ins Ohr spricht, spare ich mir – lieber möchte ich nur die Musik hören. Zum Glück gibt es an dem Gerät einen Drehknopf, mit dem ich die Lautstärke regeln oder ganz abschalten kann.
Nach der Aufführung gehen wir zurück zum Eingang. Der Gang durch das MiR ist für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen nicht ungefährlich: Es gibt eine Menge Treppen, die sich nicht vom übrigen, komplett anthrazitfarbenen Boden unterscheiden – Stolperfallen, die sich durch Markierungen leicht beseitigen ließen.
Dennoch empfehle ich das Projekt Hör-Oper in Gelsenkirchen gerne weiter.

 

Hier geht's zum Musiktheater im Revier

Was ist Barrierfreiheit?

Theater für die Ohren

Ein Spiegel der Welt: Samuel Koch am Staatstheater Darmstadt

"Schrei mich an!" - Ein Theaterstück des Projekts Inklu:City

 

(Ute Stephanie Mansion)

Welt-Down-Syndrom-Tag: Was mir der 21. März bedeutet

$
0
0

Carina Kühne posiert in Abendkleidung und Perlenkette

Seit 2006 findet jedes Jahr am 21. März der Welt-Down-Syndrom-Tag statt.  Menschen mit Down-Syndrom haben eine Trisomie 21,  das heißt, dass das Chromosom 21 ist bei ihnen nicht doppelt sondern dreifach vorhanden ist. Deshalb passt das Datum 21.3. sehr gut. Ich schreibe heute darüber, was mir dieser Tag bedeutet

Eigentlich möchte ich nichts Besonderes sein, obwohl ich das Down-Syndrom habe. Vielleicht braucht man aber so einen besonderen Tag, um aufmerksam zu machen auf Menschen, die meist vergessen werden. Dabei wollen wir doch nur zeigen, dass wir auch dazugehören und etwas leisten können. Dazu ist dieser Tag wirklich ein guter Anlass.

Welt-Down-Syndrom-Tag und die Medien

In den vergangenen Jahren hätte ich mir immer mehr Aufmerksamkeit in den Medien gewünscht. Sie haben wirklich einen sehr großen Einfluss auf unsere Gesellschaft. Deshalb wünsche ich mir nicht nur an diesem Tag viele interessante Artikel, Filme, Radiosendungen und Talkshows, in denen Menschen mit Trisomie 21 zu sehen und zu hören sind. Sie haben nämlich auch etwas zu sagen. Besonders wichtig ist es für mich, dass nicht nur „über uns“, sondern auch „mit uns“ gesprochen wird.
Ich finde es sehr wichtig, dass dabei mehr über Gemeinsamkeiten, Miteinander und Positives berichtet wird und weniger über unsere Defizite. Ich bin schon sehr gespannt, wie es in diesem Jahr sein wird.

Sterben Menschen mit Trisomie 21 bald aus?

Seit es den neuen Praena-Bluttest gibt, kann man schon ganz früh das Down-Syndrom erkennen und diese Föten aussortieren. Uns Menschen mit diesem extra Chromosom tut es nicht gut, dass wir nicht gewollt sind und ausgesondert werden. Es macht mich traurig, wenn ich denke, dass es diese vielen glücklichen Kinder mit Down-Syndrom bald nicht mehr geben soll. Wir leben nämlich gerne!

Der Welt-Down-Syndrom-Tag ist ein wichtiger Tag

Ich freue mich, dass es diesen Tag gibt und finde, dass er auch in diesem Jahr ganz besonders wichtig ist. Die meisten Menschen haben Angst vor allem, was fremd ist. Dieser Tag kann dazu beitragen, dass die Barrieren in den Köpfen abgebaut werden.
Aber dafür brauchen wir natürlich nicht nur diesen einen wichtigen Tag, sondern wir sollten jeden Tag auf Menschen mit Down-Syndrom aufmerksam machen. Es gibt ja schließlich nur diese eine gemeinsame Welt, in der wir miteinander leben und voneinander lernen können. Da sollten wir alle Menschen respektieren, egal, welche Besonderheiten sie haben.

Das ist Inklusion!

 

Linktipps:

Interviews der Ohrenkuss-Redaktion

Fabien Toulmé über die Geburt seiner Tochter mit Down-Syndrom

Das inklusive Theater-Projekt "Mittendrin auf der Bühne"

Down-Syndrom-Babys aussortieren? Ein Blogbeitrag von Ulrich Steilen über vorgeburtlichen Bluttest "PraenaTest"
 

(Carina Kühne)

#FragtWarum

$
0
0

Ein Portrait von Sascha Decker, Pressesprecher der Aktion Mensch.

Eine Grafik mit Fragezeichen, Ausrufezeichen und Infosymbol.

Viele, die in den vergangenen Tagen die Diskussion um ABA miterlebt haben, fragen sich möglicherweise: Worum geht es in dem Projekt, für dessen Förderung die Aktion Mensch gerade von einigen kritisiert wird? Ich will versuchen, das Thema aus unserer Sicht einzuordnen und die wichtigsten Fragen zu beantworten.

Worum geht es eigentlich?

Therapieangebote für Kinder mit frühkindlichem Autismus, die sich an einem bestimmten verhaltenstherapeutischen Ansatz namens ABA (Applied Behaviour Analysis) orientieren, gibt es seit vielen Jahren. Ebenfalls so alt ist die Diskussion darüber, ob ABA eine gute Vermittlung lebenspraktischer Kompetenzen sei oder eine Art von "Umerziehung". Mit den Erfolgen dieser Therapieform und der Kritik daran haben sich bereits zahlreiche Medien (Zeit, spiegel.de, NZZ) beschäftigt. Auch die Fachgruppe Therapie des Bundesverbands Autismus-Deutschland hat sich erst kürzlich mit dem Thema befasst und eine Stellungnahme dazu abgegeben.

Die Aktion Mensch fördert das Projekt "Bremer Frühfördertherapieprogramm Autismus" seit dem Jahr 2014 mit insgesamt 249.591 Euro. Die Unterstützung läuft noch bis 2017. In dem Projekt wird nach einer modifizierten Form von ABA gearbeitet.

Warum fördert die Aktion Mensch dieses Projekt, obwohl es von einigen kritisiert wird?

Die Aktion Mensch fördert Projekte, um die Teilhabe von Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft voranzutreiben. Das Bremer Projekt möchte durch eine intensive Förderung der zwei- bis fünfjährigen Kinder mit frühkindlichem Autismus genau das erreichen. Nach unserer Kenntnis handelt es sich um ein wissenschaftlich anerkanntes Therapieverfahren. Die Mitarbeiter des Projektes haben uns geschildert, in welcher Ausnahmesituation sich die Kinder und ihre Eltern befinden. Die Mädchen und Jungen können ihre Bedürfnisse nur sehr schwer mitteilen, die Eltern sind mit dieser Situation häufig überfordert. Uns ist letztlich daran gelegen, dass Eltern die Wahl haben, welche Therapieform die richtige für ihr Kind ist.

Damit ist der Meinungsstreit über "richtig" und "falsch" aber natürlich noch nicht entschieden. Zu Beginn der Debatte im Herbst 2015 haben wir gesagt, dass wir uns an dieser Diskussion nicht beteiligen. Wir würden uns wünschen, dass die Diskussion zwischen den beteiligten Fachleuten fortgeführt wird: den Therapeuten, den Familien, in denen Kinder mit frühkindlichem Autismus leben und die Erfahrungen mit der Therapie haben, Autisten selbst und natürlich mit den Wissenschaftlern, die diese Therapieform anwenden und evaluieren.

Uns erreichen auch Anrufe oder Mails von Personen, die die Förderung dieses Projektes gut finden und die von ABA profitiert haben. Der Ton in der Debatte ist allerdings so rau, dass viele Beteiligte ihre Meinung nicht öffentlich sagen wollen. Manche Befürworter haben sich aufgrund persönlicher Angriffe aus der öffentlichen Debatte verabschiedet.

Habt ihr euch mit der Kritik an ABA beschäftigt?

Als es im letzten Jahr die ersten kritischen Stimmen gegen unsere Förderung gab, sind wir gerne auf das Gesprächsangebot des ABA-Kritikers Aleksander Knauerhase eingegangen. Das Gespräch hier bei uns in Bonn war intensiv und konstruktiv. Wir haben daraufhin ein zusätzliches Fachgespräch mit Kritikern, Therapeuten, Experten und betroffenen Familien organisiert. Die Ergebnisse dieses Fachgespräches sind im Aktion Mensch-Blog nachzulesen, unter dem Blogbeitrag entwickelte sich eine lebhafte Diskussion mit Befürwortern und Kritikern. Ich selbst habe das Fachgespräch als konstruktiv und fair erlebt. Falls sich einer unserer Gäste bei uns nicht wohlgefühlt hat, bedauern wir das sehr.

Eine Anmerkung noch am Ende: Konstruktive Kritik ist uns jederzeit willkommen. Der Ton in dieser Debatte ist aber zum Teil wirklich erschreckend. Beleidigungen, Unterstellungen und persönliche Angriffe finden wir nicht akzeptabel.

Links:

(Sascha Decker)

Viewing all 790 articles
Browse latest View live